Der Karlspreis 2022 geht an die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und zwei ihrer Mitstreiterinnen.
Damit würden Tichanowskaja sowie Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo für ihren mutigen und ermutigenden Einsatz auch für Freiheit, Demokratie und für die Aufrechterhaltung der Menschenrechte ausgezeichnet, teilte das Direktorium des Internationalen Karlspreises zu Aachen am Freitag mit. DerVorsitzende Jürgen Linden sagte, alle drei hätten den Preis "mit großer Freunde" angenommen.
Tichanowskaja ist das Gesicht der Opposition gegen den autoritären Machthaber Alexander Lukaschenko. Als ihr Ehemann bei der Präsidentschaftswahl in Belarus (Weißrussland) nicht antreten durfte, kandidierte sie im vergangenenJahr selbst. Erneut zum Sieger ausrufen ließ sich damals der oft als "letzter Diktator Europas" kritisierte Lukaschenko. Der Westen erkennt dies nach Berichten über massive Fälschungen aber nicht an. Inzwischen lebt die 39-jährige Tichanowskaja im Exil in Litauen. Ihr Mann sitzt in Belarus in Haft.
Einen solchen Karlspreis habe es in der 71-jährigen Geschichte der Auszeichnung nicht gegeben, sagte Linden. Der Preis gehe an die drei führenden oppositionellen Aktivistinnen aus Belarus. "Was diese dreiFrauen geleistet haben mit ihrer Energie, ihrer Kraft, ihrem Optimismus ... ist für uns ein einmaliges Vorbild", sagte Linden. Das Kämpferische dieser Frauen sollte auch viele in Europa dazu animieren, sich mehr um Belarus zu kümmern und sich dafür einzusetzen, dass dort endlich demokratischere Strukturen entstünden.
Tichanowskaja wird von Kolesnikowa, die Anfang September in einem international kritisierten Prozess zu elf Jahren Straflager verurteilt wurde, und Zepkalo unterstützt. Die beiden in Freiheit lebenden Frauen wollten den Preis selbst entgegennehmen. Für Kolesnikowa wolle ihre Schwester kommen, sagte Linden. Kolesnikowa sei im Moment in Minsk inhaftiert. Er habe gehört, dass sie in ein Provinzgefängnis verlegt werden solle.
Die Ehrung soll am 26. Mai 2022 im Krönungssaal des Aachener Rathauses übergeben werden. Der Karlspreis wird seit 1950 für besondere Verdienste um die europäische Einigung verliehen. Zuletzt war im Oktober der rumänische Präsident Klaus Iohannis für seine pro-europäische Haltung geehrt worden.
Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (parteilos) sagte, mit diesen Preisträgerinnen werde der Karlspreis in die Zukunft getragen. "Dieses Engagement der Frauen berührt unendlich", sagte Keupen. Sie stünden auch für eine neue Form von politischer Auseinandersetzung. Sie nannte auch die immer wieder gezeigten Gesten der drei Frauen, denen sich kein Mensch entziehen könne: Faust, Victory-Zeichen und Herz.
Mit dem politischen Preis wurden bislang vor allem Menschen in Amt und Würden geehrt. Dazu gehören Ex-Kanzlerin Angela Merkel, der frühere Premierminister Tony Blair oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die Auszeichnung erinnert an Karl den Großen (747/748-814), dessen Reich sich über einen Großteil Westeuropas erstreckte.