Sachsen-Anhalt, Seeburg: Tobias sitzt allein an einem Spielplatz. Der Vater eines Kindes zieht wegen einer Vaterschaftsanfechtung vor das Bundesverfassungsgericht.

Halle: Papa will rechtlicher Vater sein

Bundesverfassungsgericht verhandelt

Es ist ein hoch emotionales Thema und juristisch umstritten: Eine Mutter verhindert, dass der Vater des gemeinsamen Sohnes rechtlich in der Rolle anerkannt wird. Es geht darum, zu welchem Zeitpunkt darüber entschieden wird. Nun landet der Fall am höchsten deutschen Gericht.

Ein leiblicher Vater kämpft am Dienstag (10.00 Uhr) vor dem Bundesverfassungsgericht dafür, auch rechtlich als Vater seines Kindes anerkannt zu werden. Als solchen hatte die Mutter des Kindes ihren neuen Lebensgefährten eintragen lassen - nachdem der biologische Vater einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte. Das Gerichtsverfahren zog sich, und schließlich blitzte der Mann aus Sachsen-Anhalt am Oberlandesgericht Naumburg ab.

Denn dieses berief sich auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach das Vaterschaftsanfechtungsrecht des feststehend biologischen Vaters ausnahmslos ausgeschlossen ist, wenn zwischen dem Kind und dem gesetzlichen Vater im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am Familiengericht eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Davon geht man aus, wenn der Mann und die Mutter verheiratet sind oder der Mann mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Letzteres war in der konkreten Konstellation der Fall.

Doch der Kläger sagt, die ersten anderthalb Monate nach der Geburt habe er noch mit seiner damaligen Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn unter einem Dach gewohnt. Anschließend habe die Mutter nach und nach den Umgang zu kappen versucht. Mal durfte er sein Kind nur unter Aufsicht sehen, mal gar nicht, wie der 44-Jährige aus der Nähe von Halle (Saale) berichtet. Unter anderem zwei Gerichtsverfahren zu seinem Umgangsrecht seien schon abgeschlossen.

Inzwischen sieht er sein Kind alle zwei Wochen für drei Stunden. «Es war ein harter Weg, um dahinzukommen.» Er kündige per Mail an, dass er den Jungen wie vereinbart abholt. Er wohne zehn Minuten mit dem Auto entfernt. Die Antworten seien meist zwei Buchstaben: OK.

«Wenn ich mein Kind abhole, sieht es mich, rennt auf mich zu und ich krieg' Küsschen», erzählt der Mann, der seinen Namen nicht öffentlich lesen möchte. Nach seiner Wahrnehmung hat der Konflikt der Eltern bislang keine Auswirkungen auf den Dreijährigen. «Wir trennen das strikt.» Alle Beteiligten nähmen keinen Einfluss auf das Kind, sagt er und schiebt nach: «Zumindest, soweit ich das mitbekomme.» Sein Sohn nenne ihn Papa - den neuen Mann an der Seite der Mutter auch.

Reform in Sicht

Fälle wie dieser sind nach Einschätzung der Familienrechtsexpertin Christine Budzikiewicz von der Universität Marburg zwar in der Praxis nicht besonders häufig, kommen aber vor. «Rechtspolitisch ist die Konstellation schon lange in der Diskussion», erklärt die Professorin. Unter juristischen Fachleuten dürfte es mittlerweile Konsens sein, dass eine Reform in diesem Punkt erforderlich ist.»

Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich schon mit dem Thema befasst und 2018 in einem Beschluss entschieden, dass relevant sei, ob ein leiblicher Vater - als ihm die rechtliche Vaterschaft offenstand - alles getan hat, diese zu erlangen. Auch mit Verweis darauf hält der Deutsche Anwaltverein die bestehende Rechtslage, so wie der Bundesgerichtshof sie auslegt, für verfassungswidrig.

In einer Stellungnahme erklärt die Bundesrechtsanwaltskammer, Vaterschaftsanfechtungsverfahren durch den biologischen Vater spielten zunehmend eine wichtige Rolle. Der Erfolg einer Anfechtung dürfe aber nicht davon anhängen, wie die rechtliche Vaterschaft zuvor erlangt wurde. Im Hinblick auf sich stetig weiterentwickelnde Beziehungs- und Partnerschaftsgefüge sei es auch nicht mehr vertretbar, die Ehe als Institut per se über die biologische Herkunft eines Kindes zu stellen. «Es bedarf daher dringend einer entsprechenden Anpassung beziehungsweise Ergänzung der geltenden Vorschriften.»

Und so könnte es auch kommen: Die Bundesregierung hat sich auf eine Änderung des Abstammungsrechts geeinigt. Die Eckpunkte dazu sollen noch in diesem Jahr bekanntgegeben werden. Davon betroffen ist laut einem Sprecher des Bundesjustizministeriums auch Paragraf 1600 im Bürgerlichen Gesetzbuch, um den es bei der Anfechtung geht.

Wie schnell aus den Plänen ein Gesetz wird und wann es in Kraft tritt, bleibt abzuwarten. Ein Urteil des höchsten deutschen Gerichts wird erst in einigen Monaten erwartet (Az. 1 BvR 2017/21). Das könnte sich also mit den parlamentarischen Abläufen überschneiden.

Kläger: es war ein Wunschkind

Warum der Kläger bis nach Karlsruhe zieht? «Es ist ein Wunschkind», sagt er. Die Mutter sei seine Jugendliebe gewesen, sie seien zusammen zur Schule gegangen. Und sie habe ihm gesagt, dass es umgekehrt genauso sei. Allerdings sage sie das nun auch über den neuen Partner.

Für ihn und sein Umfeld sei unverständlich, wie es zu einer solchen Konstellation kommen kann, sagt der Kläger. Dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, dass ein leiblicher Vater nicht der rechtliche sein darf - wenn er es denn will. «Es gibt so viele Fälle, da verschwinden die Väter und lassen nichts mehr von sich hören, zahlen nicht mal Unterhalt», sagt der Mann. Er aber wolle aktiv an der Entwicklung seines Kindes mitwirken.

Doch zum vereinbarten Termin beim Standesamt, um die Vaterschaft anzuerkennen, erschien die Mutter laut dem OLG nicht. Gleiches galt für zwei Vermittlungsversuche des Jugendamtes. Die Frau hat den Angaben nach fünf weitere Kinder von drei verschiedenen Männern.

Sollte er rechtlicher Vater werden können, möchte er das anteilige Sorgerecht erkämpfen, sagt der 44-Jährige. Nur als leiblicher Vater gehe das nicht. In der Position könne er den Umgang mit seinem Kind auch nur in einem Umfang einklagen wie etwa Großeltern es könnten.

«Ich habe ein bisschen Bammel, was die Zukunft angeht», sagt der Mann. «Mein Umgangsrecht ist eingeschränkt. Das kann ich so nicht ausweiten, lediglich einbüßen.» Sollte er keinen Erfolg haben, wäre er bereit, zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen. «Für mich ist so lange nicht Schluss, bis ich alles probiert habe.»

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