Sonngard Marcks

Keramik-Künstlerin Sonngard Marcks

30 Jahre Einheit - Wende als totale Befreiung

Sonngard Marcks ist mehrfach ausgezeichnete Künstlerin. Ihr Medium ist Keramik. Das Fundament bekam sie in der Hochschulwerkstatt Bürgel, in Thüringen und in der bekannten Hochschule Burg Giebichenstein in Halle.

Schon als Studentin war sie in der Bürgerbewegung "Neues Forum" aktiv. Dass es dann so kam, wie es kam, war 1989 kaum zu glauben - und ist es teilweise immer noch nicht.

Gebürtig in der Lutherstadt Eisleben, fans sie ihre große Liebe in Wolfenbüttel - wo sie heute noch lebt.

Wie Sonngard die Wendezeit und Nachwendezeit erlebt hat, erzählt sie uns in ihrer Geschichte:

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Schon vor dem Mauerfall war ich im Aufbau des Neuen Forums involviert und habe die Entwicklungen mit eigenem Mittun erlebt. Den Mauerfall habe ich als unglaubliches und unvorstellbares Glück empfunden, obwohl mir im gleichen Moment das Datum bewusst wurde. Musste es wieder der 9. November sein? Ich möchte es nicht als Omen sehen, aber es hat mich daran erinnert, dass es immer Zusammenhänge gibt.

Uns war klar, dass wir jetzt handeln mussten, um der Aktenvernichtung der Stasi zuvorzukommen. Auf einmal kehrte sich die Macht um. Als wir die Halberstädter Stasibehörde erreichten, kam der damalige Chef der Behörde mit seiner Dienstpistole in der Hand auf uns zu mit den Worten: „Erschießen Sie mich!“ Aber wir wollten keine Gewalt oder die Zentrale stürmen, wir wollten nur, dass die Akten nicht vernichtet werden. Die Stasi hatte eine so unglaubliche Rolle in diesem System gespielt und es konnte keine Veränderung geben, solange diese undurchschaubare Willkür nicht aufhörte.

Ich habe diese Ereignisse als totale Befreiung empfunden, jetzt musste ich auf Fesseln keine Rücksicht mehr nehmen. Endlich konnte ich meinen Vorstellungen gemäß leben. Ich hab immer das Bild geprägt vom Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken und ich wollte schwimmen, ich wollte zeigen, was ich kann. In einer Galerie für Keramik im Westen wurde ich mit den Worten empfangen: „Ihr wollt jetzt alle in den Westen kommen, aber es werden nicht viele übrig bleiben, künstlerisch“. Jahre später gratulierte mir dieser Galerist sehr würdigend zu einer Auszeichnung für meine Arbeit. Er hatte recht, es waren nur wenige geblieben. Der Kunstmarkt in der DDR war ein anderer gewesen. Auch wenn die ostdeutschen Künstler kein paradiesisches Leben hatten, so machten es die geringen Lebenshaltungskosten leichter. Es gab viele Sammler und einen großen Kunstmarkt, der auf einmal wegbrach.

Meine Arbeiten fielen auf, weil sie sich abhoben von der westlichen Studiokeramik und so bin ich zu Ausstellungen eingeladen worden, auch nach Wolfenbüttel. Hier habe ich meinen Mann kennengelernt, mit dem ich seit 1998 in dieser Stadt lebe.

Mein Mann und ich haben, trotzdem er im Westen und ich im Osten sozialisiert wurde, eine ganz parallele Lebenshaltung, haben die gleichen Bücher gelesen und die gleiche politische Grundhaltung. Wir sind uns viel näher als wir denken, es gibt Kreise, die Menschen verbinden und der Geist in diesen Kreisen ist der gleiche.

Die DDR habe ich gehasst und hasse sie bis heute für diese tiefe Deformation, für diese Einengung des Lebens, des Denkens. Wie frei sich die Menschen jetzt bewegen, habe ich bei einem Besuch in Halle empfunden: Niemals wäre zu DDR-Zeiten jemand auf die Idee gekommen, sich im Sommer in dieser reizenden Saale-Landschaft einfach auf die Wiesen zu setzen, dort Federball zu spielen und ein Picknick zu machen. Ich weiß nicht, ob es verboten war, aber wir hätten es nicht gewagt, obwohl wir bestimmt nicht fantasielos waren.

www.sonngard-marcks.de

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