Nur Corona konnte Kiss vorübergehend aufhalten. Nachdem sowohl Frontmann Paul Stanley als auch Bassist Gene Simmons im Sommer positiv auf das Coronavirus getestet wurden, sagte die Band einige Konzerte in den USA ab. Er habe nur vergleichsweise leichte Beschwerden gehabt, aber die Krankheit habe ihn trotzdem ganz schön fertig gemacht, kommentierte Stanley, der am Donnerstag (20. Januar) 70 Jahre alt wird. Kurz darauf ging es aber weiter mit der "End Of The Road"-Tour, und für dieses Jahr sind schon Konzerte unter anderem in Australien und Europa angekündigt.
Es soll die letzte Welttournee der Hardrocker sein, die für ihre spektakulären Bühnenshows mit Hits wie "Shout It Loud", "Calling Dr. Love", "God of Thunder", "Cold Gin" oder "I Was Made For Lovin'You" und ihr schwarz-weißes Make-up berühmt sind. "Wir können das nicht ewig machen, das ist körperlich unmöglich", sagte Stanley, der auf der Bühne "Starchild"-Make-Up mit kalkweißem Gesicht, knallroten Lippen und um das rechte Auge einen schwarzen Stern trägt, jüngst der Deutschen Presse-Agentur. "Wenn wir in Turnschuhen und Jeans auf der Bühne stehen würden, könnten wir auch mit 90 noch Rock'n'Roll spielen. Aber versuch mal, ein 50 Pfund schweres Kostüm anzulegen, damit rumzurennen und es einfach aussehen zu lassen."
Ob und wie es nach dem Ende der Tour weitergehen könnte? "Schwer zu sagen." Schon einmal gingen Kiss auf "Farewell Tour" - im Jahr 2000 in der Originalbesetzung mit Gitarrist Ace Frehley und Schlagzeuger Peter Criss - und machten doch weiter. "Das war kurzsichtig und überraschenderweise ein Fehler von uns", sagt Stanley heute. Rund 20 Alben brachten Kiss bislang heraus, verkauften davon mehr als 100 Millionen und feierten rund um die Welt Erfolge.
Schlagzeilen machte die Band allerdings auch immer wieder mit ihren Streitigkeiten. Von der Kiss-Ursprungsbesetzung, die 1973 an den Start ging, ist neben Stanley nur noch Sänger und Bassist Simmons dabei. Mit Frehley und Criss und auch mehreren Nachfolgern zofften sich Stanley und Simmons immer wieder schlagzeilenträchtig - und auch untereinander verläuft nicht immer alles harmonisch. "Ich mag ihn eigentlich überhaupt nicht", sagte Stanley einmal über Simmons. "Es gibt Tage, an denen er mich nervt. Er ist der Typ, den alle immer als das Gehirn hinter Kiss sehen, dabei ist er doch eigentlich das Sprachrohr. Ich sage den Menschen immer, dass er zwei Minuten von mir entfernt lebt, aber ich sein Ego von meinem Haus aus sehen kann."
Stanley dagegen war schon als Kind eher schüchtern. Das rechte Ohr des 1952 in Manhattan als Sohn einer vor den Nationalsozialisten geflohenen Deutschen und eines Polen geborenen Jungen war von Geburt an verformt, er konnte nur schlecht hören. Das habe ihn zu einem "einsamen Kind" gemacht, das nur schwer mit Menschen und vor allem Frauen in Kontakt kam und auch in der Schule schwächelte, erinnerte sich Stanley später.
Die Geschichte seiner Mutter schürte in ihm auch Vorbehalte gegenüber Deutschland, die er erst mit der Zeit abbauen konnte. "Ich hatte nicht unbedingt positive Gefühle, was Deutschland angeht", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Ich musste erstmal hinfahren und Zeit dort verbringen, um festzustellen, dass mein Eindruck von Deutschland nicht zur heutigen Generation der Deutschen passt. Ich habe viele gute Freunde dort und wunderbare Menschen kennengelernt."
Mit Gitarre und Musik erobert sich Stanley nun schon seit Jahrzehnten die Welt. Auf einmal seien ihm "die Frauen nachgelaufen, die Männer haben mich beneidet und wir haben Millionen Alben verkauft", erinnert sich Stanley an die Anfänge der Kiss-Karriere - und noch immer hat die Band eine eingeschworene Fanbasis.
Die Anfangsjahre von Kiss seien eine "sehr ehrgeizige Zeit" gewesen. "Ich wollte kompensieren und mich wertvoller fühlen, indem ich Dinge erreiche", sagt Stanley, der in zweiter Ehe verheiratet ist und vier Kinder hat. "Heutzutage sind meine Frau und meine Kinder meine Erfolge. Aber dahin zu kommen, hat lange gedauert."