Nach dem nächsten Wunder von der Weser flüchtete Florian Kohfeldt schnell in die Kabine. Anders als sonst klatschte der Bremer Trainer seine Spieler nicht auf dem Platz ab, sondern brauchte nach dem erst einmal abgewendeten ersten Abstieg seit 40 Jahren ein paar Minuten für sich.
Denn der Druck vor dem Spiel war riesig gewesen, den dann am Samstag folgenden in der Höhe nahezu sensationell 6:1 (3:0)-Kantersieg gegen den 1. FC Köln hatte vorher niemand vorhersagen können. Doch dank des erst zweiten Heimsieges der Saison und der parallelen 0:3-Niederlage von Fortuna Düsseldorf bei UnionBerlin kletterten die Norddeutschen am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga doch noch auf den Relegationsplatz.
"Ich glaube, es kann sich jeder vorstellen, dass ich sehr erleichtert bin", sagte Werder-Coach Kohfeldt, richtete den Blick aber sogleich auf die bevorstehenden Duelle in der Relegation. "Der Druck ist nicht weniger. Ganz im Gegenteil. Der Druck ist weiter immens hoch", sagte der 37-Jährige. Vor den Toren des Weserstadions feierten dennoch hunderte Fans der Bremer die vorläufige Rettung.
Im 1900. Erstliga-Spiel der Club-Geschichte trafen Yuya Osako (22. Minute, 58.), Milot Rashica (27.), Niclas Füllkrug (29.), Davy Klaassen (55.) und Josh Sargent (68.) für die Norddeutschen, die nun in der Relegation entweder auf den 1. FC Heidenheim oder den Hamburger SVtreffen. Bis zum Klassenerhalt sind es also noch zwei Schritte, weshalb bei den Bremern auch eher Erleichterung als Euphorie herrschte.
"Ich will kein Wasser in den Wein kippen. Aber eine große Feier wird es heute nicht geben - und auch keine kleine. Wir müssen die Kräfte zusammenhalten", sagte Bremens Aufsichtsratsboss Marco Bode im TV-Sender Sky. "Es fällt mir noch schwer, eine Einordnung vorzunehmen. Das hängt noch von der Relegation ab. Wenn das gut geht, dann wird das heute ein besonderer Tag gewesen sein." Bremens Klaassen machte keinen Hehl daraus, gegen wen es in der Relegation gehen soll. "Ich habe noch kein Derby (gegen den Hamburger SV) gespielt, vielleicht wäre das eine schöne Sache", sagte der Niederländer.
Der völlig enttäuschende 1. FC Köln gewann damit kein Spiel seit dem Neustart nach der Corona-Pause. Für die Rheinländer traf lediglich Dominick Drexler (62.). "Wir haben unser Klassenziel letzte Woche erreicht, deshalb wird es heute von mir keine große Schelte geben", sagte Kölns Trainer Markus Gisdol.
Vor der Partie war der Glaube an den Sprung auf Platz 16 inBremenrecht überschaubar gewesen. Nur einige wenige Fans hatten das Team von Trainer Kohfeldt am Weserstadion empfangen. Vor vier Jahren hatten noch mehrere tausend Fans den Grün-Weißen vor der entscheidenden Partie gegen Eintracht Frankfurt einen begeisternden Empfang bereitet. Werder rettete sich damals durch ein 1:0. Wegen der Corona-Beschränkungen sind große Menschenansammlungen aktuell aber verboten.
Doch Kohfeldt setzte mit seiner Aufstellung ein Zeichen und im Abstiegsendspiel auf volle Offensiv-Power. Erstmals seit seiner schweren Knieverletzung stand Füllkrug in der Startformation der Norddeutschen. Zudem war Rashica rechtzeitig fit geworden. Das Duo Rashica und Füllkrug bildete zusammen mit dem Japaner Osako das Angriffs-Trio der in dieser Saison offensiv oft so harmlosen Bremer.
Und der Mut des inBremennach der dramatischen sportlichen Talfahrt nicht mehr unumstrittenen Kohfeldt wurde belohnt. Schon zur Pause hatte Werder selbst alles klar gemacht. Da UnionBerlin parallel mit 1:0 gegen Fortuna Düsseldorf führte, lag Werder zur Pause auf Platz 16. Und auch nach dem Seitenwechsel lief für die Grün-Weißen alles nach Plan. Werder schraubte das Ergebnis schnell in die Höhe, in Berlin erhöhte Union gegen Düsseldorf auf 2:0. Damit war der erste Abstieg seit 1980 erst einmal vermieden worden. "Wir danken Union unglaublich, mal sehen, ob wir da mal eine Kiste Bier rüberwachsen lassen", sagte Werder-Stürmer Füllkrug mit breitem Grinsen.