Illustration: Ministerpräsident Reiner Haseloff gestikuliert am Rande eines außerordentlichen Parteitags der CDU Sachsen-Anhalt.

Pressekonferenz: Haseloff kritisiert Bundesregierung

"Familienfeindlich"

Sachsen-Anhalt will seine Corona-Landesverordnung um drei Wochen verlängern. Das geänderteBundesgesetz mit den Verschärfungen greife nach aktuellem Stand frühestens Ende nächster Woche, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) heute nach einer Kabinettssitzung in Magdeburg. Wie geplant solle die Testpflicht für Schülerinnen und Schüler in der Landesverordnung verankert werden. Außerdem werden Arbeitgeber künftig verpflichtet, einen Test pro Mitarbeiter pro Woche anzubieten.

Bisher existiert für das neue Bundesgesetz nur eine "Formulierungshilfe an die Regierungsfraktionen" im Bundestag. Diesen Text und die damit verbundene "verbindliche Notbremse"in Landkreisen ab einer Inzidenz von 100hätte sich Haseloff anders vorgestellt:

Länder haben weniger Kontrollrecht

Zunächst konnten sich die Ministerpräsidenten nicht mit der Kanzlerin einigen - dann stieg der Bund mit der geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes ein. Die Vorstellungen des Kabinettsliegen jetzt dem Bundestag vor - bis zur finalen Abstimmung kommende Wochehofft Haseloff auf weitere Anpassungen. Denn, weil es sich um ein sogenanntes "Einspruchsgesetz" handelt,kann Haseloff mit dem Bundesrat das Gesetz nicht kippen, sondern lediglich zurückweisen. Und selbst dann kann der Bundesrat durch den Bundestag überstimmt werden. Zudem seien die Texte "unscharf formuliert" - etwa den Tests an den Schulen. Hier soll zwar die Pflicht per Bundesgesetz kommen, jedoch regelt der bisherige Text zu unkonkret, wie genau das aussehen kann und darf. Dadurch bestehe Haseloffs Auffassung nach weniger Rechtssicherheit.

Verhältnismäßigkeit der Schließungen

Weite Teile des Einzelhandels müssten ihr "Click+Meet"-Angebot trotz Hygienekonzepten zurückfahren, Baumärkte, Tattoo-Studios, Zoos und botanische Gärten müssten schließen. Kultur und Gastronomie würden weiterhin auf Eis liegen. Hier hätten sich Haseloff und Gesundheitsministerin Grimm-Benne (SPD) ein differenzierteres Vorgehen gewünscht, zumal mittlerweile ein breites Testangebot verfügbar sei.

Keine neuen Modellprojekte

Die laufenden Projekte, wie die Außengastronomie im Harz, die Hotels inStolberg oder die Aufführungen im Anhaltischen Theater Dessausollen bis zum Ende laufen können - neue Projekte werden aber vorerst nicht mehr genehmigt, sagte Haseloff. Das Bundesgesetz sieht dies nicht mehr vor. Die "Notbremse" des Bundes würde aber lediglich über einer Inzidenz von 100 greifen. Fällt die Inzidenz in einem Landkreis unter 100, gilt die Landesverordnung, dann könne neu darübernachgedacht werden.

Schulschließungen noch sinnvoll?

Ab einer Inzidenz von über 200 schließen laut Formulierung des Bundes die Schulen in den Landkreisen - so verfährt Sachsen-Anhalt bereits heute schon. Vor dem Hintergrund der neu eingeführten Testpflicht für den Präsenzunterricht zweifelt Haseloff an, wie zielführend dies sei. Das Infektionsgeschehen würde ins Private verlagert werden, wo potenziell infizierte Kinder und Lehrer/innen nicht mehr getestet werden.

Ausgangssperren

Der Bund will eine Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr, wenn Personen nicht aus wichtigen Gründen ihr Haus verlassen wollen. Haseloff sieht dies im ländlichen Raum weder als nötig noch als durchsetzbar an. Zudem habe dieser Mechanismus für Hot-Spot-Regionen in Sachsen-Anhalt bereits gegriffen.

Ideen des Bundes zum Teil "realitätsfern" und "familienfeindlich"

Harte Worte fand Haseloff für die Ideen, die der Bund zunächst in die Absprachen mit den Ländern gab. So wollte der Bund laut des MPs für die Kontaktbeschränkungen festlegen, dass ein "Haushalt" künftig maximal 5 Personen groß sein darf. "Und das vierte Geschwisterkind darf dann nicht mitkommen?", kommentierte Haseloff diese Forderungen, die mittlerweile aus der Vorlage gestrichen wurde.

Die Notbetreuung in den Kitas sollte außerdem zurückgestuft werden - Kinder wären dann im Ernstfall nicht mehr aufgenommen worden.

Außerdem sollen alle Busse, auch Schulbusse, künftig nur zu 50% belegt sein - im ländlichen Raum kaum praktikabel.

Hier könnt Ihr Euch die Pressekonferenz selbst noch einmal ansehen

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