Peter Goldmann ist außer Atem. Gerade hat er in seinem Restaurant in Göttingen zusammen mit Kollegen und Helfern 100 Portionen Essen gekocht.
Dafür sei die Küche ausgelegt - «aber nicht auf einmal», sagt der 55-Jährige. Ein Göttinger Trägerverein, der soziale Projekte betreut, verteilt dann das Essen an Menschen, die Unterstützung brauchen - dafür räumen Restaurants jetzt ihre Kühlhäuser, deren Inhalt ansonsten vermutlich weggeworfen würde.
Denn bundesweit sind in der Coronavirus-Pandemie Restaurants geschlossen worden, Lebensmittel drohen zu vergammeln.
Noch sei es in Göttingen neben seinem eigenen nur das Restaurant seines Kollegen Vincenzo Luigi Luggeri, das sich beteilige, sagt Goldmann.
Aber das soll sich ändern, zwei weitere habe er schon ins Boot geholt. Die Aufforderung heißt immer: "Macht eure Kühlhäuser leer. Was habt ihr noch - was muss weg?" Die Corona-Krise habe die Restaurants von heute auf morgen getroffen - erst die verordneten kürzeren Öffnungszeiten, dann die Schließung. Rücklagen habe kaum einer: "Wir sind alle kleine Klitschen mit fünf bis zehn Mitarbeitern." Jeder werde finanzielle Verluste haben.
In ganz Niedersachsen gebe es Projekte, sagt Renate Mitulla, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Niedersachsen. In Hannover werde beispielsweise für Obdachlose gekocht. Caterer, die sonst für Schulverpflegung zuständig seien, stellten Gastronomen ihr Liefersystem zur Verfügung. Viele Gastronomen hätten mit Blick auf das Ostergeschäft ihre Kühlhäuser gefüllt, sagt sie. Restaurants "werden jetzt kreativ". Getroffen aber habe die Krise alle - von der Imbissbude bis zum Fünfsternehotel, mit Umsatzeinbußen bis zu 100 Prozent.
In Uelzen können die Menschen mit einem neuen Stadtgutscheinsystem Geschäfte, Kultur, Restaurants - oder ihre Lieblingskneipe unterstützen. Dazu können sie auf stadtgutschein-uelzen.de etwa ihr Lieblingslokal aussuchen, einen Geldbetrag wählen und online bezahlen. Später kann der Gutschein eingelöst werden.
In Hannover gibt es ein Projekt des Catering-Unternehmens Gastrotrends Hagedorn - 1000 Mahlzeiten spendet das Unternehmen über den hauseigenen Lieferdienst für die "Helden dieser Tage", wie Geschäftsführer Björn Hensoldt sagt. Gemeint sind: Pflegepersonal, Ärztinnen und Ärzte, Rettungssanitäter, Kassiererinnen, Feuerwehr, Polizei und andere helfenden Hände. Vorbild sind demnach Gastronomen in Berlin und Hamburg, die sich unter dem Hashtag #kochenfuerhelden zusammengetan hätten - und die Kühlhäuser leer kochen.
Hensoldt erzählt, Auslöser sei TV-Koch Tim Mälzer gewesen, der kürzlich in der ZDF-Fernsehshow "Markus Lanz" die Aktion erwähnte - und klarmachte, dass zwei seiner Unternehmen wegen der Krise vor der Schließung stünden. Die Lage kennt auch Hensoldt: Gastrotrends Hagedorn habe rund 80 Festangestellte - alle in Kurzarbeit -, dazu Teilzeitkräfte und Aushilfen in gleicher Anzahl.
Nach Angaben von Unternehmensleiter Stephan Hagedorn umfasst das neu geschaffene Netzwerk rund 140 Partner, darunter etwa 120 Gastronomen. Als ehrenamtliche Köche seien etwa die eigenen Mitarbeiter gewonnen worden, erzählt Hensoldt. "Unseren Köchen wird es langweilig zuhause." Er sagt aber auch, man könne nicht jedes Krankenhaus und jeden Supermarkt versorgen - es gehe um "punktuelle Unterstützung und Hilfeleistung". Die Alternative wäre, die Lebensmittel zu entsorgen.
Das ist auch für Goldmann keine Alternative: "Wir schmeißen so viele Lebensmittel weg", beklagt er. Gleichzeitig hätten die Tafeln für Bedürftige bereits nichts mehr, denn die geschlossenen Restaurants fielen als Lieferanten aus und Supermärkte würden von Hamsterkäufern überrannt. Doch die Spendenbereitschaft der örtlichen Händler sei groß: ""Ware gibt's überall, du musst nur fragen. Wir kochen freestyle mit allem, was wir haben." In Celle verschenkt laut "Cellescher Zeitung" ein Imbiss sogar vor dem Allgemeinen Krankenhaus Döner und Hähnchen an Klinikmitarbeiter.
Mitulla hofft, dass die staatlichen Liquiditätshilfen bei denen ankommen, die sie brauchen. Viele seien in Existenznot. Schon zuvor habe es eine Nachfolgekrise gegeben. "Betriebe, die jetzt schließen, werden nicht wieder öffnen", sagt sie. Goldmann ist skeptisch, was die staatlichen Hilfen angeht - er habe "noch keinen Cent gesehen".