Im Prozess um den rechtsterroristischen Anschlag von Halle haben Überlebende aus der Synagoge erneut schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden erhoben. Im Schlussvortrag eines Nebenklage-Anwalts übten zwei Überlebende auch am Oberlandesgericht (OLG) Naumburg, wo der Prozess läuft, scharfe Kritik. Das Verfahren sei eine vertane Chance gewesen, sagte eine Überlebende aus der Synagoge in ihrem Schlussvortrag. «Durch die Teilnahme an diesem Prozess habe ich Angst bekommen, und ich bin wütend geworden», sagte eine Nebenklägerin.
Das Gericht habe wichtige Sachverständige nicht gehört, Zeugen hätten rassistische Sprache reproduziert und Ermittler Inkompetenz gezeigt. Ansonsten hatte es aus den Reihen der Nebenklage viel Lob für die vorsitzende Richterin Ursula Mertens gegeben.
Eine andere Nebenklägerin bezeichnete in ihrem von ihrem Anwalt vorgetragenen Schlussvortrag die Arbeit der Sicherheitsbehörden als «erbärmlich». Die Befragung der Beamten habe eine «unverblümte Nachlässigkeit» bei deren Ermittlungen offenbart. DasBKAhabe «unerfahrene Hochschulabsolventen» mit den Ermittlungen betraut.
Am 9. Oktober 2019 hatte ein Terrorist versucht, 51 Menschen zu töten, die in der Synagoge von Halle den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten. Er scheiterte an der massiven Tür, erschoss daraufhin die Passantin Jana L. und später in einem Döner-Imbiss Kevin S.. Auf der anschließenden Flucht schoss er unter anderem zwei Menschen an. Sie sind Nebenkläger.
Der Prozess am OLGNaumburg läuft seit Juli, findet aus Platzgründen aber in Magdeburg statt. Der Deutsche Stephan Balliet hat die Taten gestanden und mit antisemitischen, rassistischen und antifeministischen Verschwörungserzählungen begründet. Mit einem Urteil wird am 21. Dezember gerechnet.