Knapp drei Monate nach den ersten Beschränkungen lockert Brandenburg die Corona-Regeln drastisch. Die Kontaktbeschränkung auf Mitglieder von bis zwei Haushalten oder bis zu zehn Menschen fällt ab Montag (15. Juni) weg. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte am Freitag nach einer Kabinettssitzung in Potsdam, dann würden die Abstands- und Hygieneregeln in den Mittelpunkt treten.
«Es ist ein großer Schritt, der natürlich den Menschen im Land eine neue Verantwortung gibt», sagte Woidke. Die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ab sechs Jahren wird allerdings vom öffentlichen Nahverkehr und vom Einzelhandel auf Krankenhäuser, Pflegeheime, Reisebusse und Schiffsausflüge erweitert.
Öffentliche und private Veranstaltungen dürfen ab 15. Juni wieder mit bis zu 1000 Menschen stattfinden, dazu zählen auch Gottesdienste und Konzerte. Für Demonstrationen gilt keine Obergrenze mehr, aber der Mindestabstand muss eingehalten und der Zutritt gesteuert werden.
Die Kitas sollen ab Montag wie schon angekündigt für alle Kinder wieder öffnen, während die Schulen nach den Sommerferien ab 10. August zum normalen Unterricht zurückkehren sollen.
Thüringen war Vorreiter
Als erstes Bundesland hatte Thüringen am Samstag seine Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Krise aufgehoben.
Die neue Grundverordnung enthält lediglich Empfehlungen zu Einschränkungen der sozialen Kontakte. Demnach sollen sich die Thüringer nur mit einem weiteren Haushalt oder zehn weiteren Menschen treffen. Verbote dazu gibt es aber nicht mehr. Abstands- und Hygieneregeln aber bleiben.Das Tragen von Masken im öffentlichen Personenverkehr sowie in Geschäften ist weiter vorgeschrieben.
Kritik aus Jena
Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) kritisierte diesen Schritt als «verfrüht». Die Verordnung sei mutig, sagte er in einer Videobotschaft zum Wochenende. «Nur ist das eine Art Mut, dessen Nachbar der Leichtsinn ist.»
Die Stadt Jena war in der Corona-Pandemie bundesweit Vorreiter in Sachen Maskenpflicht gewesen. Es sei zwar gut, die Eigenverantwortung der Bürger zu stärken, betonte Nitzsche. Er befürchte aber, dass Corona-Leugner und Masken-Gegner die neuen Freiheiten ausnutzen werden. «Die Disziplin vieler (...) kann durch die Nichtdisziplin einiger weniger unterlaufen und am Ende komplett ausgehebelt werden. Und wir haben keine Handhabe dagegen.»
Niedersachsen: alle Klassen von Montag an wieder in den Schulen
Zum ersten Mal seit dem Beginn der Corona-Krise haben an Niedersachsens Schulen ab Montag wieder alle Schüler Präsenzunterricht. Als letzte Jahrgänge kehren die Erst-, Fünft- und Sechstklässler zurück. Der stufenweise Wiederanlauf des Schulbetriebs hatte sich über Wochen gezogen. Allerdings gelten weiter Einschränkungen: So findet der Unterricht in geteilten Gruppen mit maximal 16 Schülern statt, der Sportunterricht ist bis zum 22. Juni untersagt. Der Rahmen-Hygieneplan des Landes sieht zudem weiter einen Mindestabstand von eineinhalb Metern an den Schulen vor.
In den Kindertagesstätten dauert es noch eine Woche länger, bis wieder alle Kinder betreut werden. Vom 22. Juni an soll es aber für alle Kinder einen Betreuungsplatz geben.
Am 22. Juni könnte zudem die fünfte und bisher letzte Phase des niedersächsischen Stufenplans für die Corona-Lockerungen greifen. Dann läuft die aktuelle Corona-Verordnung aus. Wenn das Infektionsgeschehen es nötig mache, könne die Verordnung aber auch verlängert werden, hieß es aus dem Krisenstab.
Sachsen-Anhalt: Entscheidung über Klage
In Sachsen-Anhalt sollen bis Montag alle Grundschüler wieder dauerhaft und täglich in die Schule zurückkehren.Abweichungen vom Mindestabstandsgebot sind laut Bildungsministerium zulässig, soweit dies für die Unterrichtsorganisation unvermeidbar ist. Die Klassen werden möglichst immer vom selben Lehrer unterrichtet. Ein Zusammentreffen verschiedener Klassen ist zu vermeiden. Das gilt auch für die Unterrichtspausensowie nach Möglichkeit für die Zeit vor und nach dem Präsenzunterricht.
Ein Schulleiter hat mit Unterstützung der Gewerkschaft GEW dagegen geklagt.Die Schulen vollständig zu öffnen, setze die Lehrkräfte und die Kinder einem enormen Risiko aus, sagteGEW-Landeschefin Eva Gerth. Die Bildung fester Gruppen, die sich nicht begegnen sollten, sei in den Schulen kaum umsetzbar.LautGEWsoll das Gericht überprüfen, ob das Bildungsministerium berechtigt ist, die Abstandsregel auszusetzen, obwohl die Eindämmungsverordnung sie prinzipiell vorschreibt.
Das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg will in den nächsten Tagen eine Entscheidung treffen.
In Sachsen dürfen Schulen und Kindergärten von Abstandsregel abweichen
In den Schulen und Kindergärten in Sachsen kann von einem Mindestabstandsgebot von eineinhalb Metern abgewichen werden. Das hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht am Donnerstag in Bautzen entschieden (Aktenzeichen: 3 B 194/20) und damit die Klage einer Lehrerin zurückgewiesen. Diese hatte verlangt, dass Paragraf 2 der aktuellen Corona-Schutzverordnung außer Vollzug gesetzt wird. Dort ist geregelt, dass der ansonsten geltende Mindestabstand von 1,5 Metern in Kindertageseinrichtungen, in Schulen und bei schulischen Veranstaltungen nicht gilt.
Die Grundschullehrerin hatte die Regelung angegriffen, weil sie sich einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt sah. Dadurch werde ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt, so die Argumentation der Frau. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt. Eine Gefährdung der Lehrkräfte durch infizierte Kinder bei Unterschreitung des Mindestabstands sei bislang wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesen, erklärten die Richter. Zudem seien in Sachsen die täglichen Neuinfektionen stark zurückgegangen. Auch könnten Kinder im Grundschulalter den Mindestabstand noch nicht einhalten.
Außerdem habe der Freistaat ein detailliertes Maßnahmenbündel ergriffen, mit dem die Infektionsgefahr für Schüler und Lehrkräfte vermindert wird. Angehörige von Risikogruppen könnten zum Beispiel eine Befreiung von der Präsenzpflicht in der Schule verlangen. Eine unzumutbare Gesundheitsgefährdung infolge der Nichteinhaltung des Mindestabstands an Grundschulen könne daher nicht festgestellt werden. Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.