Der AfD-Politiker Björn Höcke steht in Halle vor Gericht. Hat er wissentlich eine verbotene Parole der SA verwendet? Kurz vor Prozessbeginn wurde die Anklage verändert - nicht zum ersten Mal.
Kurz vor Beginn des Prozesses gegen Thüringens AfD-Chef Björn Höcke ist der Umfang der Anklage verändert worden. Die Kammer habe am Mittwoch beschlossen, die Anklagepunkte zum Verwenden der verbotenen Parole «Alles für Deutschland» in Gera wieder von dem Fall in Merseburg abzutrennen, sagte Gerichtssprecherin Adina Kessler-Jensch am Donnerstagmorgen in Halle. Grund dafür sei, dass die Verteidiger von Höcke kurzfristig gewechselt haben. Dem Thüringer Parteichef wird vorgeworfen, Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet zu haben. Das Strafmaß liegt zwischen einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.
Die neue Verteidigung von Höcke habe noch keine Einsicht in die Akten zum Vorfall in Gera und deshalb nicht ausreichend Zeit gehabt, sich auf die Verhandlung am Donnerstag vorzubereiten. «Dieser Teil des Vorwurfs wird also nicht Gegenstand des heutigen Hauptverhandlungstages sein», sagte Kessler-Jensch.
Konkret wird Höcke vorgeworfen, die verbotene Losung der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP, verwendet zu haben. Ausgangspunkt für die Anklage gegen Höcke ist eine Rede, die er im Mai 2021 in Merseburg in Sachsen-Anhalt (Saalekreis) gehalten hat. Zunächst soll nun also nur diese Rede Teil der Hauptverhandlung sein.
Außerdem wird dem Politiker vorgeworfen, die Losung im vergangenen Dezember bei einer Veranstaltung der AfD im thüringischen Gera verwendet zu haben. In Gera soll Höcke als Redner den Angaben zufolge den ersten Teil «Alles für» selbst gesprochen und das Publikum durch Gesten animiert haben, «Deutschland» zu rufen. Die Anklagepunkte zu diesem Vorfall wurden nun wieder von den Punkten zu der Rede in Merseburg abgetrennt. Das Gericht hatte erst am vergangenen Freitag entschieden, die Anklage um die Punkte zur Gera-Rede zu ergänzen.
Höcke verteidigt seine Wortwahl
Noch vor Beginn des Prozesses äußerte sich Höcke im Fernsehen zu den Vorwürfen. Er verteidigte seine Wortwahl im TV-Duell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt. Er habe die Parole in einer freien Wahlkampfrede genutzt und letztlich den Slogan «America First» von Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen, sagte er eine Woche vor Prozessbeginn beim Sender Welt. Auf die Frage, ob er während der Rede nicht gewusst habe, dass «Alles für Deutschland» eine SA-Parole sei, sagte der ausgebildete Geschichtslehrer: «Nein, ich wusste es nicht.» Es handele sich um einen Allerweltsspruch.
Höcke-Gegner demonstrieren
Vor Beginn des Prozesses haben sich am Morgen zahlreiche Gegner des Politikers vor dem Gerichtsgebäude in Halle versammelt. Die Polizei sprach von fast 600 Personen. Unter anderem die Gruppen «Halle gegen Rechts» und die «Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten» hatten zu Versammlungen aufgerufen. Alles sei sehr friedlich, es gebe keine Störungen.
Die Verhandlung findet im Sicherheitstrakt des Justizzentrums in Halle statt. Um einen störungsfreien Ablauf der Hauptverhandlung zu gewährleisten, hatte das Gericht unter anderem Einlasskontrollen angeordnet. Die sorgten dafür, dass sich der Verhandlungsstart verzögerte.
Was für Höcke auf dem Spiel steht
Höcke ist Spitzenkandidat der Thüringer AfD für die Landtagswahl am 1. September. Er will Ministerpräsident werden. Der Medientrubel verschafft ihm die wahrscheinlich erwünschte Aufmerksamkeit.
Im Thüringer Wahlgesetz steht, nicht wählbar sei, wer vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder «infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt». Theoretisch könnte das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen tatsächlich entscheiden, dass Höcke sein aktives und auch sein passives Wahlrecht vorübergehend verliert. Voraussetzung ist aber, dass Höcke zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird.