ZASt-Prozess: Freisprüche und Verwarnung

Opfer konnte sich an nichts mehr erinnern

Zwei Videosequenzen mit einem mutmaßlichen Angriff von Mitarbeitern eines privaten Sicherheitsdienstes gegen Asylbewerber haben den Innenminister im August 2019 auf den Plan gerufen. Die Sicherheitsmänner verloren ihre Jobs, umfassende Aufklärung wurde angekündigt. Nun hat das AmtsgerichtHalberstadtden Fall juristisch aufgearbeitet. Von drei angeklagten Sicherheitsmitarbeitern sind am Donnerstag zwei vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen worden. Der dritte wurde wegen Körperverletzung verwarnt. Richterin Brit Wischwill bleibt mit ihrem Urteil am unteren Ende des möglichen Strafmaßes.

Beweisvideos vor Gericht

«Das Video zeigt eine Sequenz eines Gesamtgeschehens», sagte Wischwill in der Urteilsbegründung. Es zeige nicht, wie sich die Situation in der Zentralen Aufnahmestelle inHalberstadtabgespielt habe. Es sei aber Grundlage für das, was zu beurteilen sei. Die Staatsanwaltschaft hatte den drei Sicherheitsleuten vorgeworfen, bei einer Einlasskontrolle am 13. April 2019 Asylbewerber mit Tritten und Schlägen misshandelt zu haben. Die Videosequenz war Monate nach dem Vorfall aufgetaucht.

In ihrer Urteilsbegründung erklärte Richterin Wischwill, die drei Männer seien bei der Einlasskontrolle ihrem Auftrag nachgekommen. Ihre Verantwortung sei gewesen, zu kontrollieren, wer in der Gemeinschaftsunterkunft lebe und wer nicht. Dazu hätten sie die Ausweise scannen müssen. Sie hätten keine andere Motivation gehabt. Der betroffene Bewohner des Asylunterkunft habe dies verweigert. Davon war die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage ausgegangen und auch die Angeklagten hatten das berichtet. Der Mann sei aggressiv und «rotzig» aufgetreten, habe sich nicht im Griff gehabt und sei betrunken gewesen, fasste die Richterin zusammen. Es sei besondere Vorsicht im Umgang mit dem Mann geboten gewesen.

Reaktion war nicht angemessen

Die Reaktion des 44-Jährigen, der selbst einen dosierten Tritt und auch einen Schlag zugegeben hatte, sei nicht angemessen gewesen und «objektiv zu viel», urteilte Wischwill. Dass der Asylbewerber mit dem Arm ausholte und ein Steinwurf gedroht haben könnte, sei auf dem Video nicht zu sehen, sagte die Richterin. Der 44-Jährige hatte angegeben, er habe sich bedroht gefühlt.

Mit seiner Verwarnung ist eine Geldstrafe auf Bewährung verbunden. Nur wenn er sich binnen eines Jahres noch einmal etwas zu Schulden kommen lasse, müsse er 15 Tagessätze á 50 Euro zahlen. Bei den anderen beiden Angeklagten lägen keine Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen Körperverletzung vor. Ein anderer Bewohner war auch zu Fall gekommen, aber wohl eher gestolpert.

Opfer will über "Geschichte" nichts wissen

Der 28 Jahre alte Asylsuchende, der von dem 44-Jährigen Angeklagten zu Boden gebracht worden war, konnte als Zeuge vor Gericht nichts beitragen. «Über die Geschichte weiß ich eigentlich überhaupt nichts», sagte der 28-Jährige am Donnerstag. Er sei betrunken gewesen. Von dem Vorfall habe er erst erfahren, als Monate später das Video im Internet auftauchte. Er habe sich darauf wiedererkannt. Medizinische Hilfe habe er nicht in Anspruch genommen.

Staatsanwaltschaft Thomas Rieder forderte in seinem Plädoyer Geldstrafen für die Angeklagten, beim 44-Jährigen wegen Körperverletzung, bei den anderen beiden Angeklagten wegen Nötigung. Rieder sagte zu Beginn seines Plädoyers: «Es ist schon ein bisschen frustrierend. Normalerweise sitzt da jemand, der wütend ist, oder an den Folgen der Tat leidet.» Für den Geschädigten habe das Geschehen damals offenbar keine Rolle gespielt und heute noch viel weniger. Es stelle sich die Frage, wer Interesse an dem Prozess habe, wenn nicht der Geschädigte, der keine Anzeige erstattet und auch keine Menschenrechtsorganisation auf den Plan gerufen habe.

Männer verloren ihre Jobs

Die Verteidiger forderten allesamt Freisprüche. Der Verteidiger des 44-Jährigen wies darauf hin, dass die Männer ihren Arbeitsplatz verloren hätten, ihre wirtschaftliche Existenz von einem Tag auf den anderen. Sie hätten bei ihrer Arbeit als Sicherheitsleute in der Einrichtung viel erdulden müssen, das sich in keiner Anklage wiederfinde. Ein anderer Verteidiger wies darauf hin, dass den Security-Mitarbeitern keine Hilfsmittel oder Unterstützung von Seiten der Einrichtung zuteil würden.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Binnen einer Woche sind Revision oder Berufung möglich.

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