Wildwarner in Sachsen-Anhalt

Die Zahl der Wildunfälle auf deutschen Straßen steigt und steigt. Sachsen-Anhalt testet jetzt akustische Warner, um Zusammenstöße mit Reh und Wildschwein zu vermeiden. Ein Erfolgsmodell? In der Dämmerung auf der Bundesstraße 184 bei Zerbst: Ein Auto fährt an einem Lichtsensor vorbei, ein kleines schwarzes Gerät an einem grünen Pfosten am Straßenrand gibt für mehrere Sekunden Pieptöne von sich, drei Leuchtdioden blinken. Wildtiere sollen so vom Überqueren der Straße abgehalten werden. Sachsen-Anhalt testet in einem Pilotversuch akustische Wildwarner, um Unfälle mit Rehen und Wildschweinen zu vermeiden. Nach Angaben des Verkehrsministeriums in Magdeburg ist das am Dienstag gestartete Projekt in dieser Form eine Premiere in Deutschland, weil erstmals akustische und optische Warnsignale kombiniert würden. Durch die neue Methode soll erreicht werden, dass die Tiere beim Herannahen von Autos gar nicht erst auf die Straße laufen. Neben den akustischen Warnern kommt LED-Blinklicht zum Einsatz. Autos sollen bei Tag und Nacht von der Technik erkannt werden. Vier Strecken in der Altmark, bei Dessau und in der Börde wurden für den dreijährigen Test ausgewählt. Am Dienstag wurde die Technik an der B184 bei Zerbst (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) installiert. An der Strecke hatten sich Wildunfälle zuletzt gehäuft. 2017 gab es 36 Zusammenstöße mit Rehen und Wildschweinen. Drei Menschen wurden verletzt, einer starb. Hintergrund des Projekts sind seit Jahren steigende Zahlen von Wildunfällen. Einer Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zufolge gab es im vergangenen Jahr rund 275 000 Verkehrsunfälle mit Wildtieren auf deutschen Straßen - so viele wie noch nie seit Anfang der 90er Jahre. Das Statistische Bundesamt zählte 2017 mehr als 2500 Wildunfälle, bei denen Menschen verletzt wurden. In Sachsen-Anhalt waren Zusammenstöße mit Wildtieren im vergangenen Jahr bereits zum zweiten Mal in Folge die häufigste Unfallursache. Fast jeder fünfte Unfall fiel in diese Kategorie. Nach Angaben des Verkehrsministeriums gibt es bereits erste Studien zu akustischen Wildwarnern aus Österreich. Die Ergebnisse seien vielversprechend, sagte Minister Thomas Webel (CDU). Deshalb kommen die Geräte aus Österreich jetzt auch in Sachsen-Anhalt zum Einsatz. «Bis zur Serienreife haben wir rund fünf Jahre an den Geräten getüftelt», berichtete Hubert Pfandlbauer, der die Technik 2013 zunächst im Rahmen einer Schulabschlussarbeit entwickelte. Auf Strecken in Österreich, auf denen die Geräte schon seit vielen Jahren im Einsatz sind, seien Wildunfälle teils um mehr als 90 Prozent zurückgegangen. Aufgestellt wird die Technik jeweils nur auf halber Streckenlänge - so soll später das Unfallgeschehen mit und ohne Warnsystem ausgewertet werden können. Insgesamt sollen an den Teststrecken rund 350 Wildwarner zum Einsatz kommen, die im Abstand von 30 bis 50 Metern in den grünen Trägerpfosten am Straßenrand installiert werden. Experten sind indes skeptisch, ob die Methode wirklich so gut wirkt. Erste Erkenntnisse deuteten an, dass akustische Warner nur kurzzeitig oder gar nicht funktionierten, sagte der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann. Zwar sei das Wild von den Pieptönen anfangs irritiert und frage sich, ob das gefährlich sei. «Wenn es aber eine Weile feststellt, dass von dem Piepen keine Gefahr ausgeht, blendet es das aus.» Es könne jedoch nicht schaden, solche neuen Methoden auszuprobieren. Noch gebe es keine umfassenden wissenschaftlichen Untersuchungen dazu. An der Finanzierung des Pilotprojekts ist auch der ADAC beteiligt. «Es ist wichtig, dass das getestet wird und evaluiert wird, wie es wirkt», sagte Christine Rettig vom Verband für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Die ständig steigende Zahl von Wildunfällen zeige, dass neue Methoden zur Unfallvermeidung nötig seien. «Nur reden und an eine vorsichtigere Fahrweise der Autofahrer appellieren reicht eben nicht aus», sagte Rettig.
Erfinder Hans Pfandlbauer (l) und Verkehrsminister Thomas Webel mit dem Warn-Gerät
Erfinder Hans Pfandlbauer (l) und Verkehrsminister Thomas Webel mit dem Warn-Gerät
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