Ob schickes Essen oder ausgelassene Party: Weihnachtsfeiern sind in vielen Firmen der Höhepunkt des Jahres. Corona macht den Plänen aber diesmal einen Strich durch die Rechnung - mit gravierenden Folgen.
Gastronomen und Hoteliers im Land fürchten wegen der Corona-Maßnahmen hohe Umsatzeinbußen vor Weihnachten. «Durch die ansteigenden Zahlen merkt man eine Unsicherheit», sagte der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Sachsen-Anhalt, Michael Schmidt, in Magdeburg. Firmen sähen wegen der sich ständig ändernden Corona-Vorschriften davon ab, Tische oder Räumlichkeiten für Weihnachtsfeiern zu reservieren. Die Situation in der Branche sei «momentan dramatisch», so Schmidt.
Seit Beginn der Corona-Pandemie litten Gastronomen und Hoteliers unter den Beschränkungen. Zuletzt geriet das Beherbergungsverbot in die Kritik. «Nach den Weihnachtsfeiern übernachten manche Leute auch vor Ort», erklärte Schmidt. Diese Buchungen fehlten in diesem Jahr.
«Die gebeutelte Gastronomie kriegt noch einmal einen Schlag drauf», sagte Schmidt mit Blick auf die leeren Buchungskalender. Der Verbandspräsident hoffe, auf kurzfristige Buchungen, falls sich abzeichne, dass sich die Corona-Lage im Dezember beruhige. «Vielleicht holen Firmen auch im Januar ihre Feiern nach», so Schmidt. Jedoch gebe es «keinerlei Planungssicherheit.»
Auch größere Firmen hätten sich in diesem Jahr zum Wohl ihrer Angestellten und zur Eindämmung der Corona-Pandemie gegen die traditionellen Feierlichkeiten am Jahres entschieden. «Angesichts der verschärften Corona-Situation sind alle Führungskräfte und Mitarbeitende im DB-Konzern gebeten, dieses Jahr auf dienstliche Weihnachtsfeiern in Präsenz zu verzichten und bereits geplante Feiern abzusagen», sagte etwa eine Sprecherin der Deutschen Bahn (DB) in Berlin. Die Ansage betreffe auch Bahnangestellte in Sachsen-Anhalt.
Die DB prüfe jedoch, «ob und wie eine alternative Feierlichkeit zu einem späteren Zeitpunkt im kommenden Jahr erfolgen kann», so die Bahnsprecherin. Andere Firmen im Land macht keine konkreten Angaben zu möglichen Absagen.
Ähnlich ist es in Sachsen
Die Corona-Pandemie droht auch den Gastwirten in Sachsen das Weihnachtsgeschäft zu verderben. «Das Gastgewerbe blickt etwas mit Bangen in Richtung Weihnachtszeit», sagte Sachsens Dehoga-Hauptgeschäftsführer Axel Klein, in Dresden. Während in den Vorjahren in vielen Gaststätten die Termine für Weihnachtsfeiern schon Monate vor dem Fest ausgebucht waren, haben die Wirte in diesem Jahr mit Stornierungen zu kämpfen, ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa.
«Die Zeit von Mitte November bis Jahresende ist wichtig für die Branche», sagte Klein. Die Politik sollte bei den Infektionsschutzmaßnahmen berücksichtigen, dass sich aktuell die meisten Menschen bei Privatfeiern in der häuslichen Umgebung infizierten, nicht bei Feiern in Gaststätten, wo Schutzvorschriften beachtet würden. «Es ist besser, die Menschen feiern in öffentlichen Gaststätten als zu Hause.»
Klein zufolge hat sich die Branche während der Sommermonate vom Lockdown des Frühjahrs wieder erholt. Zu starke Beschränkungen drohen laut Klein diese Erfolge wieder zunichte zu machen.
Der Hauptgeschäftsführer der Dresdner Industrie- und Handelskammer, Detlef Hamann, nannte es unverständlich, dass laut der jüngsten Corona-Schutz-Verordnung ab einem Inzidenzwert von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen Feierlichkeiten nur noch im Freundes- und Familienkreis erlaubt seien. «Dies wird unter den aktuellen Bedingungen dazu führen, dass es in diesem Jahr kaum betriebliche Weihnachtsfeiern oder Vereinsfeiern geben wird. Eine weitere Hiobsbotschaft für die Gastronomiebranche.»
Etwa eine Million Euro, das ist fast ein Viertel des Jahresumsatzes, ist dem Ratskeller Leipzig durch die Stornierung von Weihnachtsfeiern verloren gegangen. Allein von Oktober bis Ende Dezember erwirtschafte das Unternehmen die Hälfte des Jahresumsatzes, sagte Geschäftsführer Ingo Winkler. In anderen Jahren waren die Weihnachtsfeiertage schon zur Jahresmitte ausgebucht, für Weihnachtsfeiern konnte in der Regel nur noch an weniger gefragten Wochentagen reserviert werden. «Jetzt leben wir von der Hand in den Mund», sagt Winkler. Und obwohl das Haus gefühlt voll sei und Menschen offensichtlich froh seien, wieder ausgehen zu können, werde das Haus schon wegen der reduzierten Plätze im Oktober etwa 40 Prozent weniger erwirtschaften als in anderen Jahren.
Winkler sagt, es ärgere ihn, das die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Fernsehen den Menschen nahelegt habe, zu Hause zu bleiben. «Wir haben in die Belüftungstechnik und die Sicherheit investiert, wir habe Abstände geschaffen, die Menschen hinterlassen ihre Kontaktdaten und die Kanzlerin empfiehlt ihnen, zu Hause zu bleiben, wo sie sich anstecken.»
«Es wird noch ein spannender, aber auf keinen Fall ein guter Jahresausklang werden», prophezeite Janette Lipar von den Restaurants «Sophienkeller» und «Pulverturm» in der Dresdner Altstadt. «Die Adventszeit ist theoretisch unsere stärkste Zeit im Jahr, auch durch die Weihnachtsmärkte und Veranstaltungen in der Stadt.» Doch in diesem Jahr seien alle durch die sich ständig ändernden Bestimmungen verunsichert. Viele Firmen veranstalten keine Weihnachtsfeier oder sagten Veranstaltungen ab, weil zum jetzigen Zeitpunkt niemand wisse, was überhaupt gestattet sei. Ähnlich gehe es den Veranstaltern von Busreisen. Es werde viel storniert und sehr kurzfristig neu angefragt.
In den Sommermonaten seien viele Touristen in der Stadt gewesen, die Restaurants seien gut besucht gewesen. Das habe die Schließmonate und die verordneten begrenzten Sitzplatzkapazitäten jedoch nicht aufgewogen. Vor allem sei die Zusammenarbeit mit internationalen Reiseunternehmen besonders aus Asien komplett weggebrochen.
«Ein Weihnachtsgeschäft wie wir es bisher kannten, wird es in diesem Jahr nicht geben», sagte Heike Weiß von Auerbachs Keller in Leipzig. «Wenn wir im Sommer noch verhaltene Buchungen hatten, so ist in den vergangenen 14 Tagen wegen der steigenden Infektionszahlen alles wieder storniert worden.» Die Ungewissheit, ob Weihnachtsmärkte stattfänden und ob es den Firmen überhaupt erlaubt sei, zu feiern, lasse das Buchungsverhalten gegen Null gehen. Die beiden Weihnachtsfeiertage seien von Individualgästen noch gut gebucht. Das komplette Silvestergeschäft mit Gruppen aber sei ebenfalls weggebrochen. Derzeit hofften die fast 100 Mitarbeiter, dass es nicht wieder zu einer Schließung des Restaurants komme.
Zaghafte Buchungen in Thüringen
Vielen Gaststätten, Kneipen und Bars erwarten dem Branchenverband zufolge sehr wenige Reservierungen für Betriebsweihnachtsfeiern. Vorbuchungen für Firmenweihnachtsfeiern seien bisher «nur zaghaft» eingegangen, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Thüringen, Dirk Ellinger, der Deutschen Presse-Agentur. «Geht es der Wirtschaft gut, gibt es viele und große Weihnachtsfeiern.» Da viele Unternehmen vor allem angesichts der wieder stark steigenden Zahlen von Corona-Infektionen um ihre Zukunft bangten, hätten sie kaum Interesse an solchen Veranstaltungen, so Ellinger.
Die Sprecherin des Verbands der Wirtschaft Thüringens, Ute Zacharias, bestätigte den Eindruck Ellingers. In keiner der Firmen, mit denen sie diesbezüglich gesprochen habe, finde in diesem Jahr eine Weihnachtsfeier statt, sagte sie. «Das ist in allen Firmen seit Bestehen das erste Mal, dass eine Weihnachtsfeier ausfällt.»
Allerdings würden manche Unternehmen darüber nachdenken, ihre Weihnachtsfeier ins nächste Jahr zu verschieben. Einige planten Frühjahrs- oder Sommerfeste. «Andere lassen ihren Beschäftigten ein Präsent zukommen, in sehr wenigen Einzelfällen ist eine Sonderzahlung vorgesehen oder bei kleineren Firmen ein Spaziergang an der frischen Luft mit Bratwurst und Glühwein», sagte Zacharias. In den Chef-Etagen der Thüringer Wirtschaft gebe es das Bedürfnis, den Mitarbeitern, danke zu sagen und ihnen gegenüber Wertschätzung auszudrücken.
Neben den Zukunftssorgen vieler Unternehmen erschwert laut Ellinger ein anderer Faktor die Anmeldung von Weihnachtsfeiern in diesem Jahr: die Unsicherheit darüber, unter welchen Bedingungen die Gastronomie oder Hotellerie in den nächsten Wochen überhaupt noch wird arbeiten können. Diese Unsicherheit habe die Politik zu verantworten, weil es inzwischen eine Vielzahl von teilweise widersprüchlichen Corona-Regeln gebe.
Dies sei für seine Branche umso schwerer zu ertragen, weil viele Restaurants, Gaststätten und ähnliche Betriebe in der Vor-Corona-Zeit mit Weihnachtsfeiern einen nicht kleinen Teil ihres Umsatzes gemacht hätten. Bis zu 20 Prozent des Jahresumsatzes seien in manchen Unternehmen der Branche im Dezember erzielt worden, sagte Ellinger.
Ähnlich wie Gaststätten und Hotels müssen sich auch Catering-Anbieter in diesem Jahr auf weniger Aufträge für Firmenweihnachtsfeiern einstellen. Neben den klassischen Caterern war das auch für manchen Fleischer in der Vor-Corona-Zeit ein gutes Geschäft. Der Landesinnungsmeister des Fleischerhandwerks Thüringen, Thomas Hönnger, sagt: «Aus meiner Sicht ist davon auszugehen, dass es in diesem Jahr deutlich weniger Feiern als bisher geben wird und die betroffenen Betriebe hier mit Einbußen rechnen müssen.» Jedoch würden die Fleischer wahrscheinlich sehr unterschiedlich getroffen werden. Für sein Unternehmen zum Beispiel hätten Unternehmensweihnachtsfeiern bislang kaum eine Rolle gespielt.
Ob Gaststätten und Restaurants wenigstens mit den Weihnachtsessen von Familien in diesem Jahr in einem nennenswerten Umfang Geld verdienen werden, ist bislang noch offen - allerdings stehen die Chancen wohl nicht allzu gut. Entsprechende Reservierungen gibt es laut Ellinger in den meisten Gaststätten und Restaurants derzeit kaum, dafür sei Weihnachten noch zu weit weg.
Die Geschäftsführerin des Deutschen Familienverbandes in Thüringen, Susanne Zwiebler, erklärte, das gemeinsame Essen in Gaststätten hänge ohnehin von den Infektionszahlen zur Weihnachtszeit ab. Sie vermutet, dass das Weihnachtsfest in den Familien im Freistaat in diesem Jahr etwas kleiner ausfalle. «Voraussichtlich vorwiegend zu Hause und im engeren Familienkreis», sagte sie.
Viele Menschen würden wahrscheinlich aus Verantwortungsbewusstsein anderen Familienangehörigen gegenüber je nach aktueller Lage auf Reisen, Besuche oder gemeinsame Feier verzichten - oder diese teilweise ins Internet verlegen: mit Videoanrufen oder Familienspielen über das Internet, schätzt Zwiebler.