Das Ehepaar Röber steht mit Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer vor einem 3D-Modell ihres ehemaligen Heimatdorfes Paupitzsch. Wo sie denn früher gewohnt haben, will der CDU-Politiker von den beiden 77-Jährigen wissen. «Hier», sagt Klaus-Peter Röber und tippt mit dem Zeigefinger zielsicher auf ein kleines graues Haus. Das ist lange her, denn Paupitzsch wurde schon 1976 für den heranrückenden Braunkohletagebau Holzweißig-West aufgegeben.
Das Schicksal des Dorfes und sechs weiterer ist Thema der Ausstellung «Verlorene Orte. Braunkohleabbau und Strukturwandel im Delitzscher Revier», die am Freitag, 2. Juli 2021inTorgaueröffnet wurde. Sie ist von Samstag, 3. Juli bis zum31. Oktober zu sehen und zeigt eine Geschichte, die sich in Sachsen nicht nur in der Leipziger Region, sondern auch in der Lausitz oft wiederholt hat.
Im Schloss Hartenfels sind Paupitzsch, Seelhausen, Werbelin, Lössen, Grabschütz, Kattersnaundorf und Schladitz in Modellen nachgebaut worden. Dafür seien auch die Erinnerungen der ehemaligen, heute meist hochbetagten Bewohner genutzt worden, sagt Projektleiterin Uta Schladitz vom Landkreis Nordsachsen. Die Dorfmodelle waren ein Projekt für den sächsischen Mitmach-Fonds, mit dem das Land Ideen zum Strukturwandel im Zuge des Kohle-Ausstiegs fördert.
Kretschmer sagt, dies sei ein wichtiges und schönes Projekt. Er selbst sei in Ostsachsen in einem kleinen Ort am Tagebau Berzdorf groß geworden. Er habe erlebt, wie Dörfer für die Braunkohle aufgegeben wurden. «Ich habe gesehen, wie zum Teil unwürdig die Ortschaften ausgeräumt wurden.»
Der CDU-Politiker betont aber auch, dass die Kohle für die Energiesicherheit in der DDR unverzichtbar gewesen sei. Es sei «eine große Leistung» der Bewohner gewesen, diese Orte aufzugeben. «Es war nie populär, aber es war zum Teil notwendig», sagt Kretschmer. Die Ausstellung inTorgauwürdige die Leistung der Menschen, die in diesen Orten gewohnt haben und sich teils gegen ihren Willen eine neue Heimat aufbauen mussten.
Außer den 3D-Modellen haben die Ausstellungsmacher auch historische Fotos und Dokumente zusammengetragen. Zu sehen ist etwa eine Urkunde, die den Viehzüchtern in Kattersnaundorf 1956 «hervorragende Leistungen» bescheinigte. Auch das Taufbecken, in dem Klaus-Peter Röber 1944 in der Paupitzscher Kirche getauft wurde, ist ausgestellt.
Nachdem die Röbers ihr Heimatdorf verlassen mussten, zogen sie acht Jahre lang in eine Neubauwohnung in Delitzsch. Das sei alles in Ordnung gewesen. «Wir können nicht meckern», sagt Ursula Röber. Später bauten sie sich wieder ein Eigenheim. Auch wenn sie ohne Bitterkeit zurückblicken, ist Klaus-Peter Röber froh, dass die Erinnerung an Paupitzsch wachgehalten wird. «Man hat uns etwas genommen, das niemand ersetzen kann», sagt er.