Die Wiederentdeckung und Uraufführung der einzigen Oper des deutsch-jüdischen Komponisten und Kaufmanns Eugen Engel am Theater Magdeburg sorgte – 90 Jahre nach ihrer Entstehung – im Februar 2022 weltweit für Begeisterung: „Grete Minde ist ein musikdramatisch äußerst effektvolles, klug konstruiertes, ja, mitreißendes Werk“, fand Bernhard Doppler im Bayerischen Rundfunk. Anfang Mai erschien eine Live-Aufnahme der Uraufführung der Magdeburger Produktion beim renommierten Label Orfeo auf CD.
Theodor Fontanes Novelle Grete Minde erzählt die Vorgeschichte des Tangermünder Stadtbrandes von 1617. Im Zentrum steht die junge Außenseiterin Grete Minde, die sich – von ihrem Halbbruder und vom Rat der Stadt um ihr rechtmäßiges Erbe gebracht – an ihrer Heimatstadt rächt: Sie legt einen verheerenden Brand und stirbt gemeinsam mit ihrem kleinen Kind vor aller Augen im brennenden Kirchturm. Fontanes vorurteilsfreie Behandlung seiner Figuren war möglicherweise der Anknüpfungspunkt für den deutsch-jüdischen Komponisten Eugen Engel, sich um 1930 in seiner einzigen Oper einem Stoff des Schriftstellers zu widmen.
Obwohl er seinen Lebensunterhalt als Kaufmann verdiente, galt Engels persönliche Leidenschaft der Musik. Grete Minde stellt unzweifelhaft den Höhepunkt seines Œuvres dar, konnte aber in Zeiten des erstarkenden Nationalsozialismus nicht mehr uraufgeführt werden. Die handschriftliche Partitur rettete Engels Tochter 1941 in die Emigration in die USA. Der Komponist selbst wurde 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet, keines seiner 12 Geschwister überlebte die Shoah.