Die US-Regierung warnt vor einem bevorstehenden russischen Einmarsch in die Ukraine - während die diplomatischen Bemühungen zu einer Beilegung zur Krise weiter auf Hochtouren laufen.
US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin wollen an diesem Samstag telefonieren. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron will mit dem Kremlchef sprechen.
Bereits am Freitagabend hatten auch US-Außenminister Antony Blinken und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba gesprochen. In der Unterredung Baerbocks ging es nach Angaben aus Berlin unter anderem um die aktuelle Sicherheitslage und den am Montag anstehenden Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Scholz wird im Anschluss am Dienstag erstmals als Kanzler in Moskau mit Putin zusammentreffen.
Die US-Regierung warnt unterdessen vor einer möglichen Invasion noch vor Ende nächster Woche und verlegt rund 3000 weitere Soldaten in den Nato-Partnerstaat Polen. Die Soldaten sollten Anfang kommender Woche vor Ort sein, teilte das Verteidigungsministerium mit. Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan machte deutlich, dass die USA einen russischen Einmarsch in die Ukraine noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in China am 20. Februar für möglich halten. "Wir befinden uns in einem Zeitfenster, in dem eine Invasion jederzeit beginnen könnte, sollte sich Wladimir Putin dazu entschließen, sie anzuordnen", sagte Sullivan im Weißen Haus.
Biden hatte sich am Freitag in einer Videoschalte mit westlichen Verbündeten ausgetauscht, darunter auch Scholz, Macron und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen betonten die Verbündeten ihre Entschlossenheit, mit schnellen und harten Sanktionen auf einen möglichen Einmarsch zu reagieren. In Berlin hieß es, die Lage werde von den Teilnehmern aus EU und Nato als "sehr, sehr ernst" eingeschätzt. "Alle diplomatischen Bemühungen zielen darauf ab, Moskau zur De-Eskalation zu bewegen", schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf Twitter. "Es gilt, einen Krieg in Europa zu verhindern."
Die US-Regierung hatte erst Anfang des Monats die Verlegung von rund 2000 Soldaten nach Europa angeordnet. 1700 davon sollten ebenfalls nach Polen verlegt werden, ein Nachbarland der Ukraine. "Alles in allem umfassen diese 5000 zusätzlichen Soldaten eine hoch mobile und flexible Truppe, die zu mehreren Einsätzen fähig ist", erklärte das Pentagon am Freitag. Es gehe darum, die östlichen Nato-Partner zu beruhigen und mögliche Aggressionen abzuwenden, hieß es weiter.
Auf Bidens Anordnung hin waren Ende Januar bereits rund 8500 Soldaten in den USA in erhöhte Bereitschaft versetzt worden, um bei Bedarf eine schnelle Verlegung nach Europa zu ermöglichen. Es sollen aber keine Soldaten in die Ukraine geschickt werden. In Europa sind auch außerhalb von Krisenzeiten viele US-Soldaten stationiert - derzeit mehr als 80000 Soldaten, darunter etwa 35 000 in Deutschland.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach wegen des Ukraine-Konflikts am Freitag in einer Schalte mit seinen Kollegen aus Polen, Deutschland, Kanada, Frankreich, Rumänien und Italien.
Sullivan wiederum betonte, der US-Regierung lägen keine Informationen vor, dass Putin bereits eine endgültige Entscheidung für eine Invasion getroffen habe. Er fügte hinzu: "Wir sehen weiterhin Anzeichen für eine russische Eskalation, einschließlich neuer Truppen, die an der ukrainischen Grenze eintreffen." Ein möglicher Angriff könne verschiedene Formen annehmen, darunter auch ein schneller Vormarsch der Truppen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew.
Sullivan forderte US-Staatsbürger in der Ukraine dazu auf, das Land schnellstens zu verlassen. "Alle Amerikaner in der Ukraine sollten das Land so bald wie möglich verlassen - und auf jeden Fall in den nächsten 24 bis 48 Stunden." Auch Großbritannien, Dänemark, Lettland und Estland forderten ihre Bürger auf, die Ukraine zu verlassen. Die deutsche Regierung verfolgt unterdessen die Entwicklung in der Ukraine, hat die Deutschen aber noch nicht zur Ausreise aufgefordert.
Falls es zu einem russischen Einmarsch kommen sollte, dürfte es zunächst Luftangriffe und dann eine Bodenoffensive geben, weswegen es dann kaum mehr möglich sein dürfte, das Land zu verlassen, warnte Sullivan. "Niemand könnte sich auf Luft-, Eisenbahn- oder Landverbindungen verlassen, nachdem ein Militäreinsatz beginnt", sagte er. Es werde in einem solchen Fall keinen Evakuierungseinsatz des US-Militärs für Amerikaner in der Ukraine geben.
Bezüglich des für diesen Samstagabend Moskauer Zeit geplanten Gesprächs von Biden und Putin hieß es aus dem Kreml, Washington habe um die Unterredung gebeten. Das Weiße Haus wiederum erklärte, das Gespräch gehe auf einen Vorschlag Russlands zurück.