Tübingen geht weiter Sonderweg

Stadt wird erste Corona-Modellstadt

Tübingen geht seinen Sonderweg in der Pandemie weiter. Nun aber mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg, denn Tübingenwird Corona-Modellstadt. Das Credo lautet seit Dienstag: "Öffnen mit Sicherheit"und dasbedeutet in dem Fall eines: Testen, testen, testen.

Öffnungen inder Pandemie möglich?

Sind durch den Einsatz von Corona-Schnelltestsmehr Öffnungen möglich, ohne dabei das Infektionsgeschehen zu erhöhen? Das ist die Frage, die das Projekt beantworten soll. Entwickelt wurde das Konzept von Lisa Federle, Pandemie-Beauftragte der Stadt und dem Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Es besagt: Wer Geschäfte, Außengastronomie, Kinos, Theater, Friseure oder andere Dienstleistungen in der Stadt besuchen möchte, muss ein tagesaktuelles negatives Testergebnis vorweisen. Dafür können sich Bürgerinnen und Bürger an verschiedenen Teststationen kostenlos testen lassen. Trotzdem müssen sich alle weiterhin an die Abstands- und Hygieneregeln halten. "Wir bedanken uns beim Land für die Chance, gemeinsam mit der engagierten Bürgerschaft auszutesten, wie eine Stadt sicher geöffnet werden kann", sagte Palmer laut SWR.

Das Projekt wird zudem wissenschaftlich begleitet, um Schlussfolgerungen aufmöglicheInfektionsherdeziehen zu können. Auch in anderen Bundesländern sind solche Modellprojekte in Planung.

Der Tübinger-Sonderweg

Bereits seit demvergangenen Jahr ging die Stadt einen nicht ganz unumstrittenen Weg bei der Pandemiebekämpfung. Tübingen will vor allem Risikogruppen schützen und setzt dafür bereits seit April 2020 auf umfangreiche Testungen in Pflege- und Altenheimen. Seit Herbst gibt es für Seniorinnen und Senioren auch kostenlose FFP2-Masken, einspezielles Einkaufzeitfenster und Senioren-Taxifahrten mit normalen Busticketpreisen. Außerdem testet die Kommuneseit Beginn der zweiten Welle auch jüngere Menschen kostenlos und freiwillig. Das Ganze geschieht zusätzlich zu allen anderen Maßnahmen und ist laut dem Oberbürgermeister ein Erfolg, denn die Infektionen in der Risikogruppe seien deutlich zurückgegangen.

Boris Palmer ist ein Politiker der Partei Bündnis 90/Die Grünen und seit 2007 Oberbürgermeister der Stadt Tübingen. Bekanntheit erlangte Palmer besondersdurch umstritteneÄußerungen zur Flüchtlingspolitik. Er sah sich mehrmals dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt. Aus den eigenen Reihen wurden Rücktrittsforderungen laut.

Des Weiteren sorgte Palmer 2020 für Empörung, als er über den Schutz älterer Menschen während der Corona-Pandemie sagte: "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären." Daraufhin kündigte seine Partei an, ihn bei kommenden Wahlen nicht mehr zu unterstützen.

Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Tübingen, nimmt an einem Pressetermin der Stadt Tübingen zur Übergabe von Corona-Schnelltests teil.

Lisa Federle ist Ärztin und Notfallmedizinerin aus Tübingen.

Bereits 2015 betrieb sie eine rollende Arztpraxis zur Behandlung von Geflüchteten in Notunterkünften und von Obdachlosen. 2020 wurde diesewährend der Corona-Pandemie zur mobilen Fieber- und Abstrichpraxis. Mit ihrem Engagement war sie maßgeblich an der Teststrategie von Tübingen und dem"Tübinger Corona-Sonderweg" beteiligt. Für ihren Einsatz erhielt Federle 2020das Bundesverdienstkreuz.

Die Initiatorin des Modellprojekts «Öffnen mit Sicherheit», Notärztin Lisa Federle.
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