Nawalny-Protest in Sankt Petersburg

Tausende protestieren in Russland für Nawalny Freilassung

Mehr als 3400 Festnahmen

Bei Protesten für die Freilassung des inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny am Samstag in Russland sind Bürgerrechtlern zufolge mehr als 3400 Menschen festgenommen worden. Allein in der Hauptstadt Moskau wurden mindestens 1360 Demonstranten festgesetzt, wie das Portal OWD-Info am Sonntagvormittag mitteilte. 523 weitere Festnahmen gab es demnach in St. Petersburg. Angaben von Russlands Kinderrechts-Beauftragten zufolge wurden auch rund 300 Minderjährige in Gewahrsam genommen.

Nawalnys Mitstreiter sprachen von 40 000 Menschen, die allein in Moskau auf die Straße gegangen seien. Die Polizei hatte die Zahl der Teilnehmer an der nicht genehmigten Kundgebung deutlich geringer angegeben. Insgesamt hatten in rund 100 russischen Städten Zehntausende Menschen für Nawalnys Freiheit und gegen Präsident Wladimir Putin demonstriert. Das Team des Oppositionellen, der im August Opfer eines Giftanschlags geworden war, sprach von einer "grandiosen gesamtrussischen Aktion".

Für Entsetzen sorgte in sozialen Netzwerken unterdessen ein Video, auf dem zu sehen ist, wie in Polizist in St. Petersburg eine Frau brutal wegtritt. Medienberichten zufolge erlitt die 54-Jährige ein Schädel-Hirn-Trauma. Sie liege im Krankenhaus und sei nicht bei Bewusstsein. Ermittler kündigten an, den Fall zu prüfen.

Nawalny drohen in Russland mehrere Strafverfahren und viele Jahre Gefängnis. In Haft sitzt der 44-Jährige aktuell zunächst für 30 Tage, weil er gegen Meldeauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben soll - während er sich in Deutschland von dem Giftanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok erholte.

Zusätzlich für die Proteste mobilisiert hatte wohl ein kürzlich von Nawalnys Team veröffentlichtes Enthüllungsvideo, das beweisen soll, dass Putin sich aus Schmiergeldern ein "Zarenreich" am Schwarzen Meer bauen ließ.

In vielen Städten hielten Demonstranten Klobürsten in die Höhe - eine Anspielung darauf, dass im Badezimmer von Putins Riesenpalast eine italienische Klobürste imWert von 700 Euro stehen soll. Der Kreml dementiert die Vorwürfe in dem bis Sonntagvormittag mehr als 77 Millionen Mal aufgerufenen Film. Nawalnys Unterstützer kündigten an, die Proteste fortsetzen zu wollen.

Russische Oppositionelle fordern Sanktionen gegen Putins Vertraute

Wegen des Vorgehens gegen den Kremlkritiker Alexej Nawalny haben prominente russische Oppositionspolitiker die EU zu Sanktionen gegen Oligarchen und Freunde von Kremlchef Wladimir Putin aufgefordert. "Jagt sie, verfolgt ihre Geldströme", sagte Garri Kasparow bei einer Online-Pressekonferenz am Samstagabend. "Hört auf, mit der Mafia zusammenzuspielen." Die Mittel lägen bereit, die Vermögen von Putins milliardenschweren Freunden im Westen zu sperren.

Gemeinsam etwa mit dem früheren Oligarchen Michail Chodorkowski forderte der ehemalige Schach-Weltmeister Kasparow, das Sanktionsinstrument zu nutzen, das die EU im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen im Dezember beschlossen hatte. Damit soll die politische Ahndung solcher Verbrechen deutlich erleichtert werden. Zudem sollen auch Einreiseverbote für Personen verhängt werden. Die EU-Außenminister treffen sich an diesem Montag.

"InRusslandist endgültig eine Diktatur errichtet worden", sagte Chodorkowski. "Der Hauptgrund, um an der Macht zu bleiben, ist ein unvorstellbarer Diebstahl und der Wunsch, der Verantwortung für die begangenen Verbrechen zu entgehen." Gegen die Bevölkerung werde Gewalt eingesetzt. "Die Situation mit Nawalny zeigt diesen Wandel."

Chodorkowski betonte, er stehe hinter Nawalny. Dieser sei ein politischer Gefangener wie er selbst einer war. "Solange er im Gefängnis ist, werde ich ihn unterstützen", sagte er. Kasparow betonte: "Wir können Nawalny jetzt nicht beschützen. Aber wir können dafür kämpfen, für das er kämpft: Ein freiesRussland."

Kasparow kritisierte die Rolle von Altkanzler Gerhard Schröder, der Posten bei Nord Stream 2 und dem staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft hält. Es müssten alle Aspekte der Zusammenarbeit Schröders mit Putin aufgedeckt werden. Allerdings sei der SPD-Politiker nur eine Person. "Die Schröderisiering ist ein Phänomen, das viele westliche Länder betrifft", sagte Kasparow. "Wir müssen mehr über Putins Helfer aufdecken."

Mit Blick auf die landesweiten Proteste am Samstag für eine Freilassung Nawalnys sagte der Kremlkritiker Wladimir Kara-Mursa, vor allem junge Leute hätten keine Angst mehr vor Putin und seiner Führung. "Dies wird weitergehen", sagte er. "Die Menschen sind bereit, ihm eine Botschaft zu schicken, dass sie genug haben."

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