Radsport-Legende Gustav-Adolf Schur ("Täve") 2016 bei einem Fotoshooting mit Rad

Täve - Die Radsport-Legende aus dem SAW-Land

Gustav Adolf „Täve“ Schurzog eine ganze Generation in seinen Bann. Seinen 90. Geburtstag kann die Radsport-Legende aber leider nicht zelebrieren."Es gibt keine Feier, ich habe alles abgesagt. Ich lasse keinen rein", sagt der rüstige Jubilar. Eigentlich wollte er die 90 heuteim Radladen von Sohn Gus-Erik in Magdeburg feiern, nun kommen nur die engsten Familienmitglieder zu ihm nachHeyrothsberge. Schur will im Garten noch ein Schild aufstellen, um die sicherlich zahlreichen Gratulanten davon abzuhalten, doch zu klingeln. Das Risiko ist ihm in Corona-Zeiten einfach zu hoch.

Ich hab noch zehn Jahre vor!

Schließlich hat Gustav-Adolf Schur noch einiges vor. "Die nächsten zehn Jahre habe ich mir noch fest vorgenommen. Der Herbert Köfer hat die 100 ja auch geschafft, da muss ich nachlegen", sagt Schur der Deutschen Presse-Agentur und lachte laut. Mit dem populären Schauspieler sitzt er demnächst gemeinsam in einer Fernsehsendung. Aktuell überwiege bei ihm die Freude, die ersten 90 Jahre einigermaßen hinter sich gebracht zu haben.

Schur ist immer noch auf Zack, hält das Haus in Schuss und spaziert jeden Abend ein paar Kilometer durch den Ort. Es ist in seinem Leben aber auch ein wenig einsamer geworden, seit im vergangenen Mai seine Frau Renate nach 58 Jahren Ehe starb. Die immer noch zahlreiche Fanpost bearbeitet er nun allein. So oft es geht, kommen die Kinder zu Besuch. Und seiner anderen großen Liebe, dem Rennrad, kann Schur sich auch nicht mehr so oft widmen. «Das geht nur, wenn es wärmer wird. Mein rechtes Knie macht mir Probleme, seitdem ich auf Mallorca mal gestürzt bin», berichtet der populärste Sportler der ehemaligen DDR.

Volksheld - bodenständig und lebensfroh

Er kommt aus einfachen Verhältnissen, wurde in einem Dorf bei Magdeburg geboren (Heyrothsberge) und wohnt dort noch immer. Er hat Mechaniker gelernt, studierte später in Leipzig an der DHfK Sport und er hat vier Kinder - zwei Mädchen und zwei Jungs.

Es ist die Mischung aus sportlichen Erfolgen und seiner enorm lebensfrohen, menschlichen und volksnahen Art, die Schur zu großer Popularität verholfen hat. Redet man vonTäve, weiß im Osten jeder, wer gemeint ist. Gesamtsiege bei der Friedensfahrt 1955 und 1959, WM-Siege 1958 und 1959 sowie das selbstlose Überlassen des WM-Titels 1960 an Bernhard Eckstein am Sachsenring, Bronze bei Olympia 1956 und Silber 1960, neunmal nacheinander DDR-Sportler des Jahres. Seine Erfolge bewegten Generationen. Und auch seinen SohnJan. Jan Schur z. B. war ebenfalls erfolgreicher Radsportler, wurde 1988 Olympiasieger im Mannschaftszeitfahren.

Daheim hatTäveSchur nur noch einen Pokal. Eine große Messingschale, die er 1960 für den dritten Platz bei der Ostseewoche bekam. Der Rest schwirrt irgendwo in der Welt herum oder ist im Friedensfahrtmuseum in Kleinmühlingen ausgestellt.

Held und Propagandafigur

Für viele Menschen ist Schur ein Held. Doch sein Name ist auch mit dem Unrecht der DDR verbunden, für die er als Propagandafigur parat stand. Von 1958 bis 1990 saß Schur als Abgeordneter in der Volkskammer. Seine verklärenden Ansichten über das DDR-System sowie das Doping an Minderjährigen nach der Wende wurden oft kritisiert. Sie verhinderten zweimal die Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports – was ihn kränkte. «Schur ist nicht gewählt worden, und es wird in dieser Weise keinen dritten Anlauf geben», sagte Michael Ilgner, Vorstandschef der Deutschen Sporthilfe, 2017. Die Tür zur Ruhmeshalle bleibt für ihn für immer zu.

Schur hat bei dem Thema ohnehin längst auf Trotz geschaltet. «Und wenn man mir heute anbieten würde, dass ich aufgenommen werde: Der Fall ist für mich erledigt», sagte er der «Magdeburger Volksstimme». Doch er hat auch berühmte Fürsprecher. «Wenn Deutschland eine Hall of Fame des deutschen Sports kreieren will, dann gehörtTäveSchur dazu. Egal, welche politische Einstellung er hat. Es geht um den Sport und nicht um persönliche Dinge», sagte Olaf Ludwig und Henry Maske betonte: «WasTäveSchur für den Sport geleistet hat, ist ohne Frage vergleichbar mit vielen anderen, die auf der Ebene längst angekommen sind.»

Über fehlende Zuwendung oder Beschäftigung kann Schur sich nicht beklagen. Er schreibt Bücher, im vergangenen Jahr erschien sein aktuelles Werk «Was mir wichtig ist». Eine Idee für ein nächstes Buch hat er schon - und es hat so gar nichts mit Radsport zu tun. «Ich könnte noch eins schreiben über meine Kindheit im Krieg und die Bombardements. Ich habe Angst gehabt, wie nie in meinem Leben. Aber das überlege ich mir noch einmal genau», sagt Schur. Zunächst einmal wird gefeiert, wenn auch nur im kleinen Kreis.

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