Justiz in Sachsen-Anhalt

Stendaler Wahlbetrug

Ex-CDU-Kreischef äußert sich erstmals

Mehr als sechs Jahre nach dem Stendaler Wahlbetrug kommt neue Bewegung in die Aufklärung des Skandals:In einem neuen Prozess um die Fälschung von Briefwahlstimmen bei der Kommunalwahl 2014 hat sich erstmals der langjährige und damalige CDU-Kreisvorsitzende Wolfgang Kühnel zu der Sache geäußert. Kühnel bestritt am Dienstag, 11. August 2020 zu Prozessbeginn am Landgericht Stendal, von dem Betrug gewusst zu haben, geschweige denn den verurteilten Wahlfälscher Holger Gebhardt angestiftet zu haben. «Ich habe nie im Leben jemanden zur Wahlfälschung aufgefordert», sagte der frühere CDU-Kreischef.

Er ist neben Gebhardt Beklagter in dem Verfahren, in dem die Hansestadt Stendal für die Wiederholung der Wahl Schadenersatz von rund 50 000 Euro fordert. Da Kühnel bereits rechtskräftig verurteilt ist, geht es in dem Verfahren im Wesentlichen um die Frage, ob Kühnel von dem Betrug gewusst hat, ihn sogar initiiert hat und damit auch für den entstandenen Schaden der Stadt haftbar gemacht werden kann.

Im Strafverfahren gegen Gebhardt und in einem schließlich eingestellten Strafverfahren gegen ihn selbst sowie vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtages hatte Kühnel sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Gebhardt hatte Kühnel vor dem Landtagsausschuss und auch am Dienstag vor Gericht erneut vorgeworfen, ihn zu dem Wahlbetrug angestiftet zu haben.

Gebhardt war 2017 zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er Briefwahlvollmachten gefälscht und fremde Briefwahlunterlagen selbst ausgefüllt hatte. Da er anschließend wegen eines anderen Betrugsfalls ebenfalls verurteilt wurde, sitzt er noch immer im Gefängnis. Unter anderem hatte er bei der Wahl 2014 laut Urteil Wahlbenachrichtigungskarten von Leuten eingesammelt, bei denen er davon ausging, dass sie ohnehin nicht zur Wahl gehen. Mit gefälschten Unterschriften ließ er von mehreren Bevollmächtigten die Unterlagen abholen und füllte sie selbst aus - die Stimmen für den Stadtrat gab er sich selbst, für den Kreistag verteilte er sie auf andere CDU-Politiker, darunter auch den CDU-Stadtvorsitzenden und früheren Landtagspräsidenten und Hardy Peter Güssau.

Die Wahl war daraufhin 2015 wiederholt worden. Dabei entstanden der Stadt nach eigenen Angaben Kosten von knapp 50 000 Euro, etwa für Wahlunterlagen, Briefumschläge und die Entschädigungen für Wahlhelfer. Auf diesen Kosten wolle die Stadt den Steuerzahler nicht sitzen lassen, begründete ein Sprecher der Stadt die Forderung.

Gebhardt war 2014 Sekretär für die CDU-Kreistagsfraktion und hatte in einem Büro unter anderem mit Kreischef Kühnel und Landtagspräsident Güssau gearbeitet. Güssau hatte Zweifel an seiner Rolle in dem Wahlskandal nie ausräumen können, war in Folge dessen als Landtagspräsident zurückgetreten und ist seitdem einfaches Mitglied der CDU-Fraktion. Auch er wurde am Dienstag vom Gericht befragt und beteuerte dabei erneut, nichts geahnt zu haben.

Die Vertreter der Stadt Stendal bezweifelten, dass Güssau und Kühnel beide nichts von dem Betrug gewusst haben und legten dazu mehrere Emails und WhatsApp-Nachrichten vor, die sie als Gespräche über den Betrug interpretierten. Güssau und Kühnel stritten das ab und sagten die Gespräche hätten mit der Wahlfälschung nichts zu tun gehabt. Die Befragung der Beklagten und des Zeugen Güssau zogen sich so lange hin, dass die vorsitzende Richterin die Verhandlung schließlich unterbrach. Einen Termin für die Fortsetzung gab das Gericht zunächst nicht bekannt.

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