Carola Rackete

Solidarität mit "Sea-Watch"-Kapitänin

Freilassung von Carola Rackete

+++UPDATE 3.7.2019+++

Die Freilassung der Kapitänin der deutschen Hilfsorganisation CarolaRackete hat für Erleichterung und Kritik gesorgt. Die italienischenVize-Premierminister, Matteo Salvini und Luigi Di Maio, reagierten verärgert und überrascht auf die Entscheidung eines Ermittlungsrichters amDienstagabend in Agrigent, den Hausarrest für die 31-jährige Deutsche aufzuheben. Hilfsorganisationen dagegen sahen in dem Richterspruch eine Bestätigung der Arbeit der Seenotretter.

Rackete war am Samstag festgenommen worden, nachdem sie das Rettungsschiff "Sea-Watch 3"mit 40 Migranten an Bord nach mehr als zwei Wochen auf See unerlaubt in den Hafen von Lampedusa gesteuert hatte. Sie wurde unter Hausarrest gestellt.

Nach ihrer Freilassung am Dienstag kündigte Innenminister Salvini ihre Ausweisung an, da sie eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstelle. Wann das passieren könnte, ist allerdings unklar. Nach Angaben von Racketes Anwalts steht am 9. Juli noch eine Anhörung der Staatsanwaltschaft an. Gegen Rackete wird wegen Beihilfe illegaler Migration ermittelt. Zwei weitere Vorwürfe - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Widerstand gegen einKriegsschiff - wurden nach Medienberichten fallen gelassen.

Beitrag vom 30.6.2019:

Mit einem beispiellosen Manöver hat die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch die offene Konfrontation mit Italien gewagt.

Nun steht sie vor folgenschweren Konsequenzen: Der Kapitänin CarolaRacketedroht nicht nur eine Geldstrafe, sondern im schlimmsten Fall Haft.

InDeutschland sorgte ihre Festnahme am frühenSamstagmorgen für Kritik.

Der italienische Innenminister MatteoSalvini erhob dagegen schwerste Vorwürfe gegen die 31-Jährige.

In Vergessenheit geriet dabei fast, dass 40 Migranten nach mehr als zweiWochen auf demMittelmeer an Land gehen konnten.

Bei der Crew und den Geretteten lagen die Nerven nach 17 Tagen auf See blank: Die jüngste Odyssee der «Sea-Watch 3» hatte am 12. Juni begonnen, als die Seenotretter vor Libyen 53 Bootsflüchtlinge an Bord nahmen.

Wenige Stunden zuvor hatte das Kabinett in Rom sich auf eine drastische Verschärfung der Regeln für die Helfer verständigt.

Ein umstrittenes Sicherheitsdekret stellt das unerlaubte Einfahren von privaten Schiffen in italienische Hoheitsgewässer unter eine satte Geldstrafe.

Sea-Watch ließ sich nicht davon abhalten und fuhr mit den Geretteten in Richtung Italien.

Nach tagelangem Warten an der Seegrenze sah sich die Kapitänin Mitte vergangener Woche gezwungen, die «Sea-Watch 3» auf Lampedusa zuzusteuern.

Ungeachtet einer Blockade fuhr sie das Schiff in der Nacht auf Samstag schließlich in den Hafen - und stieß dabei auch noch mit einemBoot der Finanzpolizei zusammen.

«Es war der verzweifelte letzte Versuch, die Sicherheit der Menschen sicherzustellen», begründete Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer die Entscheidung der Kapitänin, den Hafen anzufahren, obwohl sich eine Lösung für die Migranten anbahnte: Mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, hatten sich bereiterklärt, die Schutzsuchenden aufzunehmen.

Bei der Finanzpolizei soll sichRacketebereits entschuldigt haben. «Meine Absicht war, meine Mission zu erfüllen, natürlich nicht, euch zu rammen», sagte sie laut Nachrichtenagentur Adnkronos.

Für Innenminister Salvini ist die Aktion der Beweis, dass es sich bei den Seenotrettern um «Kriminelle» handelt.

«Sie haben die Maske abgelegt: Das sind Verbrecher», sagte Salvini - und ging so weit, den Seenotrettern vorzuwerfen, den Tod der italienischen Ordnungskräfte riskiert zu haben.

«Es ist schön, dass sie sagen, wir retten Leben, (dabei) haben sie fast Menschen getötet, die ihre Arbeit gemacht haben.»

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erklärte auf Twitter: «Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden. Es ist an der italienischen Justiz, die Vorwürfe schnell zu klären.» Menschenleben zu retten, sei eine humanitäre Verpflichtung.

Es sei eine «Sprachverdrehung orwell'schen Ausmaßes», wenn Italiens InnenministerRackete«Unterstützung von Menschenhändlern» und Piraterie vorwerfe, sagte Grünen-Chef Robert Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Sonntag).

«Der eigentliche Skandal ist das Ertrinken im Mittelmeer, sind die fehlenden legalen Fluchtwege und ein fehlender Verteilmechanismus in Europa.»

Die Europaabgeordnete der Linken, Özlem Demirel, erklärte: «CarolaRacketegehört nicht hinter Gitter, sondern verdient einen Orden für ihre Courage und Menschlichkeit.»

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, nannte Racketes Festnahme «eine Schande für Europa».

«Eine junge Frau wird in einem europäischen Land verhaftet, weil sie Menschenleben gerettet hat und die geretteten Menschen sicher an Land bringen will», erklärte der Landesbischof. Dies mache ihn traurig und zornig.

Wie es langfristig für Sea-Watch weitergeht, ist unklar. Vorerst wird die Organisation ihr Rettungsschiff verlieren - nicht das erste Mal.

Am Samstag wurde es aus dem Hafen von Lampedusa gefahren und sollte Salvini zufolge in einen anderen Hafen gebracht werden.

Gegen die Kapitänin, die nun Star und Feindbild zugleich ist, wird wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung und Verletzung des Seerechts ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft in Agrigent wirft ihr der Nachrichtenagentur Ansa zufolge auch Widerstand gegen die Staatsgewalt vor. Das könnte mit mehrerenJahren Haft bestraft werden. Für die 31-Jährige sei Hausarrest angeordnet worden, berichtete Ansa.

«Die Linie der Strenge der italienischen Regierung dieser Tage hat geholfen,Europa aufzuwecken», gibt sich Salvini sicher.

Einen Mechanismus zur Verteilung der Bootsflüchtlinge hat die EU dadurch längst nicht gefunden.

Und während der Streit um die Seenotrettung eine neue Eskalationsstufe erreicht, haben sich zwei Rettungsschiffe auf dem Weg insMittelmeer vor Libyen gemacht.

An die deutsche Organisation Sea-Eye und die spanische Proactiva Open Arms gerichtet sagte Salvini: «Macht, was ihr wollt, aber haltet uns nicht mehr zum Narren.»

Die Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf haben zu Spenden für die Seenotretter der deutschen Hilfsorganisation Sea Watch und ihre in Italien festgenommene Kapitänin CarolaRacketeaufgerufen.

In einem gut fünfminütigen auf Youtube in der Nacht zu Sonntag geposteten Video zeigten sie sich erschüttert von den Geschehnissen auf der italienischen Insel Lampedusa. Böhmermann sagte: «Mit den Ereignissen der letzten Tagen hat diese unmenschliche, kaltblütige und skrupellose Politik einen neuen Tiefpunkt erreicht.»

Sie betonten in einer gemeinsamen Erklärung: «Wer Menschenleben rettet, ist kein Verbrecher.»

Wie die meisten könnten auch sie nicht persönlich vor Ort im Mittelmeer helfen. «Darum möchten wir spenden und gemeinsam mit Euch Geld sammeln.»

Das Rettungsschiff «Sea-Watch 3» hatte in der Nacht zum Samstag nach mehr als zwei Wochen auf offener See mit 40 Migranten unerlaubt im Hafen der italienischen Insel Lampedusa angelegt.

Die Kapitänin wurde festgenommen, das Schiff beschlagnahmt. Der Kapitänin droht nicht nur eine Geldstrafe, sondern im schlimmsten Fall Haft.

Bereits am frühen Sonntagmorgen waren Spenden in Höhe von mehr als 140000 Euro eingegangen.

Heufer-Umlauf bedankte sich umgehend für die Spenden: «Wow! Vielen Dank an alle!» schrieb er auf Twitter.

Für den Fall, dass die italienischen BehördenRacketestrafrechtlich verfolgen würden, «werden wir, wie im letzten Jahr, Geld für die anfallenden Rechtskosten und Ausgaben der Lebensretter sammeln und spenden».

Die Aktion soll bis Ende Juli laufen.

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