Gestern Abend lud die Bundeskanzlerin zur Pressekonferenz. Sie erklärte die Maßnahmen der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Lest unten die gesamte Rede wortwörtlich nach! Hier die wichtigsten Fakten zusammengefasst
Dienstleister und Handwerker können ihrer Tätigkeit weiterhin nachgehen. Alle Einrichtungen des Gesundheitswesen bleiben unter Beachtung der gestiegenen hygienischen Anforderungen geöffnet. Besuchein Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sollen aber beschänkt werden.
Restaurants sollen spätestens um 18 Uhr geschlossen werden. Es gelten Auflagen, um das Risiko einer Verbreitung des Coronavirus zu minimieren, etwa durch Abstandsregelung für die Tische oder eineReglementierung der Besucherzahl. Übernachtungsangebote dürfen nicht mehr zu touristischen Zwecken verwendet werden.
Die Rede der Bundeskanzlerin ist auf der Homepage der Bunderegierung als Abschrift abgebildet. Wir haben Euch den Text hier eingefügt:
Angela Merkel: Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie heute Abend. Sie haben es sicherlich verfolgt: Auch am Wochenende ist die Zahl derer, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, noch einmal gestiegen. Wir hatten am Donnerstag mit den Ministerpräsidenten der Länder über Folgen dieser Coronainfektion diskutiert. In der Folge haben alle Länder die Schulen und Kitas bundesweit geschlossen oder werden dies in Kürze tun.
Heute haben wir gemeinsam mit den Ländern weitere Leitlinien für das allgemeine Verhalten beschlossen. Dabei leitet uns das, was uns von der Wissenschaft immer wieder gesagt wird, dass nämlich die wirksamste Maßnahme, um die Ausbreitung dieser Infektion zu verringern, die Erhöhung der Distanz, des Abstandes, ist, also das Verringern sozialer Kontakte.
Wir wollen natürlich versuchen, die wirtschaftlichen Prozesse so weit wie möglich - ohne Auswirkungen geht es nicht, das wissen wir bereits - zu erhalten. Wir wollen garantieren, dass die medizinische Versorgung gewährleistet werden kann, dass die Energieversorgung gewährleistet ist, dass die Ernährung der Bevölkerung gewährleistet ist und dass auch ein großer Teil der Dienstleistungen in Anspruch genommen werden kann.
Dennoch brauchen wir einschneidende Maßnahmen, um das Infektionsgeschehen, wie so oft schon gesagt, zu verlangsamen. Das sind Maßnahmen, die es in unserem Lande so noch nicht gegeben hat und die natürlich einschneidend sind. Aber sie sind im Augenblick notwendig, um die Zahl der Kontakte und damit auch die Zahl der Erkrankungen und damit auch der schweren Erkrankungen zu reduzieren und unser Gesundheitssystem nicht zu überfordern.
Es ist etwas Außerordentliches, was wir heute gemeinsam mit den Bundesländern besprochen haben. Die Maßnahmen sind auch zum großen Teil und überwiegend durch die Bundesländer umzusetzen. Sie werden das in Kürze tun, wenn sie es nicht, wie es zum Teil der Fall ist, schon getan haben. Aber uns allen war sehr wichtig, dass wir ein im Großen und Ganzen einheitliches Handeln in Deutschland haben.
Weil diese Maßnahmen so besonders sind, möchte ich sie hier einmal im Detail vortragen.
Ich beginne mit dem, was ausdrücklich nicht geschlossen wird. Das ist mir sehr wichtig. Ausdrücklich nicht geschlossen werden der Einzelhandel für Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Friseure, Reinigungen, Waschsalons, der Zeitungsverkauf, Bau-, Garten- und Tierbedarfsmärkte und der Großhandel. Vielmehr sollte für die von mir eben genannten Bereiche sogar überlegt werden, ob wir die Sonntagsverkaufsverbote bis auf Weiteres grundsätzlich aussetzen. Eine Öffnung der genannten Einrichtungen erfolgt natürlich unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen. Dienstleister und Handwerker können ihrer Tätigkeit weiterhin nachgehen. Alle Einrichtungen des Gesundheitswesens bleiben unter Beachtung der gestiegenen hygienischen Anforderungen geöffnet.
Das sind die Dinge, bei denen es wichtig ist, dass sie weiterhin von den Bürgerinnen und Bürgern in Anspruch genommen werden können.
Zweitens. Für den Publikumsverkehr zu schließen sind Bars, Clubs, Diskotheken und ähnliche Einrichtungen, Theater, Opern- und Konzerthäuser, Museen und ähnliche Einrichtungen, Messen, Ausstellungen, Kinos, Freizeit- und Tierparks und Anbieter von Freizeitaktivitäten sowohl innen als auch außen, Spezialmärkte, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen, Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche Einrichtungen, der Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimm- und Spaßbädern, Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen, alle weiteren nicht an anderer Stelle in diesem Papier genannten Verkaufsstellen des Einzelhandels, insbesondere auch Outlet-Center und Spielplätze.
Das sind also die Dinge, die geschlossen werden.
Drittens. Zu verbieten sind Zusammenkünfte in Vereinen und sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich sowie Reisebusreisen, zusätzlich Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften.
Viertens. Zu erlassen sind
Wir haben diese Beschlüsse nach intensiven Abstimmungen und Beratungen gefasst. Sie verändern natürlich für eine bestimmte Zeit unseren Alltag, immer mit dem Ziel, Kontakte zu minimieren, Dinge zu verlangsamen und Kontakte zu vermeiden.
Wir wissen, dass unsere Politik nur dann wirksam sein kann, wenn wir das zwischen Bund und Ländern, also zwischen allen Ebenen unseres Landes, gut abstimmen und mit gleicher Entschlossenheit vorgehen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass diese Übereinkunft mit den Ländern heute in einer so konstruktiven Atmosphäre gefunden werden konnte.
Ich habe eben auch die Fraktionsvorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen über die Maßnahmen unterrichtet.
Zusätzlich gab es heute noch internationale Aktivitäten, heute früh eine Videokonferenz mit der Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen, dem Ratspräsidenten Charles Michel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und mir. Wir haben darin auch eine morgige Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs vorbereitet und über die Frage gesprochen, wie die Binnengrenzkontrollen besser koordiniert werden können. Deutschland und Frankreich waren hierzu in Abstimmung, aber an vielen Stellen ist das nicht abgestimmt erfolgt.
Die EU-Kommission hat heute auch ein Reiseverbot für Einreisen von Bürgerinnen und Bürgern aus Ländern, die nicht der EU, nicht dem EFTA-Bereich und nicht Großbritannien angehören, erlassen, auch für 30 Tage, analog zu dem, was wir zum Beispiel gegenüber der Europäischen Union von den Vereinigten Staaten von Amerika und anderen Ländern schon gesehen haben.
Wir haben heute Nachmittag - das wurde auch verkündet - bereits eine G7-Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs der G7-Länder gehabt. Dort hat die Kommissionspräsidentin dies auch deutlich gemacht: Die Maßnahmen des Reisebanns, also des Einreiseverbots für 30 Tage, müssen von den Nationalstaaten, den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, umgesetzt werden. Das werden wir tun.
Aber wir haben auch über die Aktivitäten von G7 gesprochen. Wir haben uns geeinigt, dass wir koordiniert und im engen Austausch vorgehen wollen und haben noch einmal die wichtige Rolle der Weltgesundheitsorganisation unterstrichen. Wir haben ein Bekenntnis zur Wichtigkeit des globalen Handelns abgegeben, und wir haben uns vorgenommen, dass wir in diesem Austausch auch weiter sehr intensiv bleiben werden, nicht nur die Staats- und Regierungschefs, sondern auch die Gesundheitsminister und die Minister im Bereich von Finanzen und Wirtschaft.
Herzlichen Dank.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, das sind gravierende Einschnitte, die heute von Bund und Ländern beschlossen worden sind. Wie lange kann eine freiheitliche Gesellschaft und Politik so etwas durchhalten?
Sie haben es gesagt: Auch Spielplätze sollen geschlossen werden. Wie will man so etwas umsetzen? Das wird ja sehr schwierig. Wenn Sie hierherfahren, sehen Sie: Überall sind die Spielplätze voll.
BK’in Merkel: Die Umsetzung obliegt natürlich den Ländern und Kommunen. Ich glaube schon, dass man das auch umsetzen kann. Natürlich wird es Kontrollen geben, und es wird neben den Kontrollen vor allen Dingen immer wieder appelliert werden. Das muss sein. Das ist dann Ordnungsrecht.
Aber ich hoffe, dass es auch ein gewisses Einsehen der Menschen gibt. Denn es hat ja keinen Sinn, eine Schule und einen Schulplatz zu schließen, um anschließend die gleiche Versammlung von Schülerinnen und Schülern auf dem Spielplatz zu haben. Gleiches gilt, wenn wir eine Kita schließen. Das heißt, wir versuchen sozusagen, diese engen Kontaktbereiche zu vermeiden und dies durch möglichst klare Aussagen.
Ich sage noch einmal: Wir kommen desto schneller durch diese Phase hindurch, je mehr sich jeder einzelne an diese Auflagen und diese Regelungen hält. Ich glaube, wir wollen alle möglichst schnell hindurchkommen.
Aber ich sage Ihnen auch ganz offen, dass der Maßstab nicht das ist, was wir glauben, was wir jetzt machen wollen, sondern der Maßstab ist, was uns die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Thema sagen. Vor allen Dingen ist auch die Zahl der Fälle, die sich neu infizieren, der Maßstab. Denn es wird einen Prozentsatz von schweren Krankheitsverläufen geben, und diese schweren Krankheitsverläufe muss unser Gesundheitssystem auch behandeln können. Das ist unser Wunsch. Daran arbeiten wir.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, die Maßnahmen werden ja auch Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Wird es Rettungsschirme für Banken, Unternehmen und andere EU-Länder brauchen?
BK’in Merkel: Wir haben ja von umfangreichen Schutzmaßnahmen gehört, die der Bundeswirtschafts- und der Bundesfinanzminister verkündet haben. Das ist ein deutlicher Schirm für Kleine, mittelständische und alle anderen Unternehmen. Der Bundesfinanzminister, auch der Bundeswirtschaftsminister, haben gesagt: Wir werden das tun, was nötig ist. Das werden auf der einen Seite Liquiditätshilfen sein, aber sicherlich in der Folge auch Härtefallfonds.
Wir sind jetzt ja noch in der Phase, in der wir sozusagen diese Dinge ausformulieren. Trotzdem sind wir dazu bereit, weil das etwas ist, was einmalig ist und was wir bisher in über siebzig Jahren Bundesrepublik noch nicht tun mussten, aber jetzt tun müssen.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, in der Finanzkrise hat diese Krise dazu geführt, dass man im G20-Rahmen sehr viel enger zusammengearbeitet hat. Also es gab richtig einen Impuls für eine globale Zusammenarbeit. Glauben Sie, dass das jetzt auch geschieht - wenn nicht, warum nicht?
Sie haben jetzt G7 eigentlich mehr am Rande erwähnt. Es gibt eine Warnung, auch des Bundespräsidenten, dass Europa in dieser Krise auseinanderfallen könnte. Nicht abgestimmte Grenzschließungen scheinen ein Zeichen dafür zu sein. Glauben Sie, dass wir überhaupt wieder zum passfreien Schengen-Raum zurückkommen?
BK’in Merkel: Das hoffe ich. Aber es hat sich schon gezeigt, dass die Koordination nicht überall so funktioniert, wie man sich das gewünscht hätte. Wir haben - das ist das erste Mal - sichergestellt, dass der freie Verkehr der Waren und Güter sichergestellt ist. Wir haben zum Zweiten für uns, für das deutsche Handeln, auch sichergestellt, dass die Pendler, die Berufstätigen und die Dienstleister im Grenzgebiet an ihre Arbeitsstätten kommen. Wir werden sicherlich trotzdem im europäischen Rahmen weiter darüber sprechen müssen.
Aus unserer Perspektive sind das befristete Maßnahmen, die dazu dienen, jetzt die Infektionsgefahren zu verringern. Wir sagen zum Beispiel auch: Wer aus den vom RKI besonders definierten Regionen kommt, auch in Deutschland, soll zwei Wochen in Quarantäne gehen. - Also es sind wirklich vorbeugende Maßnahmen. Aber wir werden weiter daran arbeiten müssen.
Zu G20: Wir haben heute unter den G7-Staats- und Regierungschefs gesagt, dass wir mit Saudi-Arabien Kontakt aufnehmen, um auch als G20 eine gemeinsame Stellungnahme hinzubekommen. Das halte ich auch für sehr wichtig. Denn in der Tat ist damals in der Bankenkrise überhaupt erst das G20-Format auf der Staats- und Regierungschefebene entstanden. Es gab ja das erste Treffen im Angesicht der Bankenkrise, und es gibt viele gute Gründe auch im Zusammenhang mit G20, hier auf ein koordiniertes Vorgehen zu achten.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, was heißt denn für Sie konkret Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen und Synagogen? Heißt das, das sind Gottesdienste? Oder sind Zusammenkünfte auch eine Anzahl von Gläubigen, die sich zum Gebet treffen, die vielleicht eine Kirche besuchen?
BK’in Merkel: Es sind schon abgesprochene vereinbarte Termine, an denen mehrere Menschen zusammenkommen, also zum Beispiel Gottesdienste.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, haben Sie heute in dem Gespräch auf G7-Ebene gegenüber dem US-Präsidenten möglicherweise Ihre Verärgerung über die etwas überraschend gekommenen Reisebeschränkungen kundgetan, die es gegenüber Europa gegeben hat? Am Wochenende gab es ja auch noch die Nachrichten über CureVac, also dieses deutsche Biotech-Unternehmen, das angeblich vom US-Präsidenten für einen bestimmten Betrag gekauft werden sollte, um nur für Amerika Vaccine zu produzieren?
BK’in Merkel: Letzteres hat heute keine Rolle gespielt, zumal das Thema ja auch gelöst ist, wie wir am Wochenende sagen konnten. Die Bundesregierung hatte sich ja sehr frühzeitig darum gekümmert. Herr Hopp und auch der Chef des Betriebes von CureVac hatten ja ihre Einschätzung auch öffentlich gemacht.
Was die Reisebeschränkungen anbelangt, so hat ja die Europäische Union nun heute ähnliche erlassen. Insofern war das jetzt ein Thema, das alle betrifft. Auch Kanada wird, wenn ich das richtig verstanden habe, solche Maßnahmen in Richtung der EU erlassen. Insofern war das jetzt auch kein kontroverses Thema.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, mich würde interessieren, ob heute Vormittag im Kreis der EU oder auch heute Nachmittag im Kreis der G7 über die Lage der Flüchtlinge gesprochen worden ist - also einmal über die vielen Flüchtlinge aus Syrien, egal ob sie in türkischen Lagern, in Idlib oder sonstwo sind, und auch über andere Menschen, die in dieser Situation überhaupt keine Gesundheitsversorgung haben - und ob es Möglichkeiten gibt, dort Hilfen über die UN-Institutionen oder anderswie zu verstärken?
BK’in Merkel: Nein, ich denke, das könnte morgen in der Schaltung der Europäischen Staats- und Regierungschefs eine Rolle spielen, gerade die Situation in Griechenland, aber auch Idlib. Das hat heute in dem G7-Treffen keine Rolle gespielt. Das war eher darauf ausgerichtet, die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die Frage des koordinierten Handels in den wirtschaftlichen Maßnahmen, aber auch in den Schutzmaßnahmen, auszuleuchten.
Ich bedanke mich ganz herzlich!
Montag, 16. März 2020