Der eine ein Kinderstar, der andere ein Kritikerliebling: Satiriker Jan Böhmermann und das berühmte Sandmännchen aus dem Kinderfernsehen werden in diesem Jahr mit Grimme-Preisen ausgezeichnet. Das teilte das Grimme-Institut am Dienstag in Köln mit. Der Grimme-Preis gilt als renommierteste Auszeichnung, die man in Deutschland für eine Fernsehproduktion bekommen kann.
Böhmermann, bereits mit vielen Trophäen dekoriert, erhält die Ehrung 2023 zusammen mit seinem Team für seine ZDF-Sendung «ZDF Magazin Royale», die Satire und Comedy mit investigativer Recherche kombiniert. Nach Angabe des Grimme-Instituts ist es bereits der sechste Grimme-Preis in der Karriere des Moderators.
Böhmermanns Konzept basiere auf einer «simplen Überlegung», hieß es in der Begründung der Jury. In einer Welt, in der Politikerinnen und Politiker «wie Clowns» agierten, hätten echte Clowns keine andere Wahl als selbst politisch zu werden. «Genau das tut der politisch gewordene Clown Jan Böhmermann (...).»
Der Kinder-Klassiker «Unser Sandmännchen» erhält nach Angaben des Grimme-Instituts dagegen zum ersten Mal die begehrte Trophäe. Die Auszeichnung gehe an Stefan Schomerus (Buch/Regie) sowie Tine Kluth (Animation) für eine RBB-Produktion, in der ein sogenanntes Recycling-Fahrzeug zu sehen ist - aus gebrauchten und defekten Dingen entsteht darin auf Knopfdruck etwas Neues.
«Beim Sandmann geht es im Endeffekt darum, ein bisschen vereinfacht, auf magische Art auch mal einfach Bilder zu schaffen», sagte Schomerus in Köln zum Zauber des Formats. Die Jury empfand «die Modernisierung der Animation und die Beschäftigung mit dem wichtigen Thema Nachhaltigkeit, das hier - wie immer ohne Worte - kindlich begreifbar gemacht wird» als besonders gelungen.
Der Sandmann, der abendlich Kinder über das Fernsehen in die Schlafenszeit begleitet, ist schon mehr als 60 Jahre alt - 1959 wurde «Unser Sandmännchen» erstmals im DDR-Fernsehen ausgestrahlt. Der kleine Mann ist Deutschlands dienstälteste Kinderfernsehen-Figur und hat den Sandmann aus dem Westen überlebt.
Insgesamt wurden am Dienstag in Köln 16 Grimme-Preise sowie drei Sonderpreise bekanntgegeben. Die Auszeichnungen sind zwar nicht mit Geld verbunden, gelten unter Fernsehleuten aber als hochrenommiert. Seit 1964 werden sie jährlich verliehen. Übergeben werden die Trophäen in diesem Jahr am 21. April in Marl.
Besonders gut schneidet 2023 das ZDF ab. Neben Böhmermann konnten etwa auch die Serie «Neuland» und der Film «Die Wannseekonferenz» überzeugen, der das Treffen zeigt, auf dem die Nationalsozialisten die mörderische «Endlösung der Judenfrage» beschlossen. Auch das Drama «Im Feuer - Zwei Schwestern» bekam einen Preis. Es zeigt eine Bundeswehrsoldatin auf der Suche nach ihrer im Irak vermissten Schwester.
Gute Nachrichten nach krisenhaften Zeiten gab es zudem für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Mit dem Preis für die «besondere journalistische Leistung» zeichnete die Grimme-Jury die Redaktion des RBB-Politmagazins «Kontraste» aus. Gewürdigt wurden ihre «kontinuierlichen investigativen Recherchen zu Randthemen des Rechtsradikalismus». «In so einer Situation ist es natürlich eine Rückenstärkung, über die wir uns sehr freuen, über die sich, glaube ich, auch der ganze RBB freut», sagte Georg Heil aus der Redaktion.
Auch mehrere Dokumentationen konnten Grimme-Preise ergattern - darunter «Atomkraft Forever» (SWR/NDR) und «Die Story im Ersten: Leben nach Butscha - Trauma und Hoffnung» (WDR).
Ein Merkmal des diesjährigen Grimme-Jahrgangs ist zudem die Beschäftigung mit der Vielfalt in der Gesellschaft. Eine Auszeichnung wurde an das Format «Queer Eye Germany» des Streamingdienstes Netflix vergeben, in dem queere Lifestyle-Experten das Leben ihrer Kandidaten zum Positiven verändern wollen. Einen weiteren Preis bekam Netflix für die Serie «Kleo» mit Schauspielerin Jella Haase zugesprochen.
Ebenfalls hochgelobt wurde das Vox-Format «Zum Schwarzwälder Hirsch - eine außergewöhnliche Küchencrew und Tim Mälzer». In der Sendung macht TV-Koch Tim Mälzer Menschen mit Trisomie 21 fit für den Restaurant-Betrieb. Das Format gewann nicht nur einen Grimme-Preis, sondern auch den sogenannten Publikumspreis. Schauspieler André Dietz, der in der Sendung als Mentor agiert, nahm die Auszeichnung als Anlass, die Politik zu adressieren. «Ich selbst habe ja eben eine Tochter mit Behinderung und weiß, wie sehr Inklusion eine Illusion ist», sagte er in Köln. «Wie sehr das eben nicht funktioniert.»
Die sogenannte besondere Ehrung im Rahmen des Grimme-Preises geht 2023 an Kabarettistin und Schauspielerin Maren Kroymann. Mit ihrem Schaffen und Wirken stehe die 73-Jährige «für die kraftvolle Vielfalt weiblicher Identitäten im Deutschen Fernsehen», hieß es zur Begründung. «Dabei hat sie die Hürden und Entwertungen der traditionell männlich geprägten Fernsehkultur durchleben müssen, wovon sie sich aber nicht hat entmutigen lassen, im Gegenteil.»
Kroymann sagte der dpa, dass sie die Würdigung «echt von den Socken» haue. «Ich mache jetzt seit ungefähr 30 Jahren Fernsehen. Und oft hatte ich das Gefühl: Ich weiß gar nicht, ob ich in dieses Medium reinpasse. Ich hatte andere Ansprüche an mich. Ich hatte immer das Gefühl: Ich bin die, die nicht so ist wie man im Fernsehen sein sollte», sagte sie. «Dass genau das jetzt ausgezeichnet und als Stärke gesehen wird, das macht mich natürlich total glücklich.»
Bei der besonderen Ehrung im Rahmen des Grimme-Preises handelt es sich um eine spezielle Auszeichnung, die der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) - der Stifter des Grimme-Preises - verleiht. Laut Statut wird sie Persönlichkeiten zugesprochen, die sich in herausragender Weise um das Fernsehen verdient gemacht haben.