Thomas Kemmerich, FDP

Thomas Kemmerich will zurücktreten

FDP-Spitze spricht Lindner Vertrauen aus

Update Freitag 15.00 Uhr

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Die FDP-Spitze hat Parteichef Christian Lindner nach seinem Kriseneinsatz in Thüringen mit deutlicher Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen. Linder erhielt von 36 abgegebenen Stimmen 33 Ja-Stimmen und eine Nein-Stimme. Zwei Anwesende enthielten sich,

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Update Freitag, 04.30 Uhr

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Die SPD-Spitze sieht die große Koalition durch die Ministerpräsidentenwahl inThüringenbeschädigt. «Es gibt eine Menge Fragen, die beantwortet werden müssen, um das Vertrauensverhältnis zu klären», sagten die Parteichefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken der Deutschen Presse-Agentur. Derzeit wüssten sie nicht,«woran wir sind mit der CDU». Um das zu klären, hatdie SPD für Samstag einenKoalitionsausschuss durchgesetzt.

Die Thüringer CDU hatte bei der Ministerpräsidentenwahl zusammen mit der AfD den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich gewählt. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte daraufhin klar gemacht, dies sei gegen die Bitten und Forderungen der Bundes-CDU geschehen.Inzwischen hat Kemmerich seinen Rücktritt angeboten und will Neuwahlen durchsetzen.

Esken und Walter-Borjans wiesen den Vorwurf zurück, die Sozialdemokraten könnten die Gelegenheit ausnutzen, um die Koalition platzen zu lassen. «Wir taktieren hier nicht», betonte Esken. «Wir müssen Verantwortung dafür übernehmen, diesen Dammbruch aufzuhalten, der dramatische Folgen haben kann, auch für andere Bundesländer.»

Der CDU warfen die SPD-Chefsvor, Linke und AfD inThüringenohne moralische Abwägungleichtfertig gleichzusetzen. «Wenn es darum geht, einen Pakt mit Demokraten gegen die Demokratiefeinde zu schließen,dannmuss auch eine CDU wissen: Wer ist eigentlich Demokrat in diesem Parlament und wer nicht», mahnte Walter-Borjans.

Update Donnerstag 14.15 Uhr

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Thüringens Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) will sein gerade erst erworbenes Amt wieder zur Verfügung stellen. «Der Rücktritt ist unumgänglich», sagte der FDP-Politiker am Donnerstag in Erfurt. Die FDP-Fraktion wolle einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen, teilte er weiter mit.

Er wolle den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen, begründete er seine Entscheidung. «Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen.» Weiter sagte er: «Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten. Die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen.»

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Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich hatbei der Abstimmung am Mittwoch, 05.02.2020 in Erfurt im dritten Wahlgang auch mit Stimmen von CDU und AfD gegen Amtsinhaber Bodo Ramelow von den Linken gewonnen. Der von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat Christoph Kindervater erhielt im dritten Wahlgang keine Stimme.

Merkel will Ministerpräsidentenwahl in Thüringen rückgängig machen!

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten mit AfD-Stimmen als "unverzeihlich" kritisiert.

Das Ergebnis dieses Vorgangs müsse rückgängig gemacht werden, sagte Merkel am Donnerstag bei einem Besuch in Südafrika und stellte sich damit indirekt hinter Neuwahl-Forderungen. Sie nannte die Wahl einen "einzigartigen Vorgang".

Merkel betonte: "Es war ein schlechter Tag für die Demokratie. Es war ein Tag, der mit den Werten und Überzeugungen der CDU gebrochen hat."

Es müsse jetzt alles getan werden, damit deutlich werde, dass dies in keiner Weise mit dem in Übereinstimmung gebracht werden könne, was die CDU denke und tue. "Daran wird in den nächsten Tagen zu arbeiten sein", sagte Merkel.

Wie konnte das passieren?

radio SAW-Nachrichtenchefin Claudia Schier beschreibt es so: "Kurz gesagt: so ist das Wahlsystem. Linke, SPD und Grüne hatten nach der Landtagswahl im Herbst keine Mehrheit mehr und haben sich für eine Minderheitsregierung entschieden. Der Koalitionsvertrag wurde also ausgehandelt. Aber es war von vornherein klar, dass die Wahl des Ministerpräsidenten schwierig werden könnte. Denn die Krux in Thüringen war aber eben, dass rot-rot-grün keine Mehrheit hat und noch Stimmen von CDU und FDP brauchte, um den eigenen Kandidaten Ramelow zu platzieren. Doch die CDU und die FDP wollten eigentlich keinen linken Ministerpräsidenten.Dann kam noch die AfD ins Spiel mit ihrem Kandidaten von rechts. Und aus der Mitte, so sagt Kemmerich es später selbst, ging im dritten Wahlgang Kemmerich ins Rennen. Und dann passierte eben das, was gestern passiert ist: der AfD-Kandidat bekam 0 Stimmen, Ramelow 44 und Kemmerich 45.

Bleibt die Frage, ob das alles so geplant war oder ob die Kehrtwende der AfD überraschend kam. So oder so – mit der Wahl des FDP-Politikers Kemmerich haben natürlich alle Minister von rot-rot-grün ihre Posten verloren, er muss nun in seinem Lager neue Minister suchen. Auch wieder in einer Minderheitsregierung (FDP und CDU), SPD und Grüne wollen nicht mehr, mit Linken und AfD will Kemmerich nicht. Oder doch Neuwahlen? Es bleibt spannend.“

Proteste in ganz Deutschland

Wenige Stunden nach der Ministerpräsidentenwahl inThüringenmit Stimmen der AfD haben in Niedersachsen mehrere Hundert Menschen dagegen protestiert. Sie kamen am Mittwochabend in Göttingen, Hannover, Osnabrück und Hildesheim zusammen. Auch in Bremen waren Proteste geplant. Die niedersächsische Grüne Jugend, der DGB Niedersachsen und die SPDNiedersachsen hatten zu einer spontanen Demonstration in Hannover aufgerufen - unter dem Motto «Mahnwache für die Demokratie». Nach Angaben der Polizei kamen etwa 300 bis 350 Menschen. Auf Plakaten hieß es etwa «Keine Kooperation mit Nazis!!! #noAfDP» und «Wehret den Anfängen». In Göttingen demonstrierten nach Angaben des Lagedienstes im Innenministerium bis zu 800 Menschen. In Osnabrück ging die Polizei von 150 Teilnehmern aus, in Hildesheim waren demnach 50 Teilnehmer auf der Straße.

Minutenprotokoll zur Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten

- 11.01 Uhr: Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke)eröffnet die Landtagssitzung.11.03 Uhr: Keller ruft den Tagesordnungspunkt 1, die Wahl des Ministerpräsidenten, auf und erläutert die Formalien.

- 11.04 Uhr: Keller liest Wahlvorschläge vor: Für die Fraktion der Linken, SPD und Grünen Bodo Ramelow (Linke), für die AfD-Fraktion Christoph Kindervater (parteilos). Keller erklärt den Abgeordneten den Stimmzettel.11.05 Uhr: Wahlbeginn. Die Abgeordneten werden einzeln aufgerufen und treten in die Wahlkabinen.

- 11.10 Uhr: Kemmerich gibt seinen Stimmzettel ab.11.13 Uhr: Ramelow gibt seinen Stimmzettel ab.

- 11.17 Uhr: Ende der Wahl. Beginn der Auszählung.11.22 Uhr: Das Wahlergebnis steht fest: 43 Stimmen für Ramelow, 25 Stimmen für Kindervater. Kein Kandidat hat die erforderlichen 46 Stimmen erreicht. Ein zweiter Wahlgang wird erforderlich.

- 11.56 Uhr: Keller eröffnet den zweiten Wahlgang.12.01 Uhr: Kemmerich gibt seinen Stimmzettel ab.

- 12.04 Uhr: Ramelow gibt seinen Stimmzettel ab.12.07 Uhr: Ende des zweiten Wahlgangs.

- 12.12 Uhr: Keller stellt das Wahlergebnis fest: 44 Stimmen für Ramelow, 22 Stimmen für Kindervater. Erneut fehlt beiden die notwendige Mehrheit. Keller stellt fest, dass ein dritter Wahlgang erforderlich wird.

- 12.42 Uhr: Die Sitzung wird fortgesetzt. Die FDP-Fraktion schlägt zusätzlich Thomas Kemmerich (FDP) als Kandidaten vor.13.05 Uhr: Nach Aktualisierung der Drucksachen wird die Sitzung mit Verlesung der Kandidaten fortgesetzt:Ramelow, Kindervater und zusätzlich Kemmerich.

- 13.06 Uhr: Beginn des dritten Wahlgangs.13.11 Uhr: Kemmerich gibt seinen Stimmzettel ab.

- 13.15 Uhr: Ramelow gibt seinen Stimmzettel ab.13.20 Uhr: Keller schließt die Wahlhandlung und bittet um Auszählung der Stimmen.

- 13.26 Uhr: Der entscheidende Moment. Keller stellt das Wahlergebnis fest. Abgegebene Stimmzettel: 90, davon gültig 90, Stimmenthaltungen 1. Für Ramelow 44 Stimmen, für Kindervater 0 Stimmen, für Kemmerich 45 Stimmen. Ein Raunen geht durch die Abgeordnetenränge.

- 13.27 Uhr: Kemmerich nimmt auf Nachfrage die Wahl zum Ministerpräsidenten an. Es gibt verhaltenen Applaus.

- ab 13.28 Uhr: Die Landtagspräsidentin vereidigt Kemmerich als Ministerpräsidenten. Anschließend gratulieren Abgeordnete dem neuen Amtsinhaber.

- 13.29 Uhr: Auch die Landeschefin der Linken Susanne Hennig-Wellsow geht aufKemmrichzu. Sie gratuliert ihm aber nicht, sondern wirft ihm einen Blumenstrauß vor die Füße.

Thomas Kemmerich

Der studierte Jurist Kemmerich istverheiratet und hatsechs Kinder. Er wurde am 20.02.1965 in Aachen geboren. Auf seiner Homepage bezeichnet er sich als erfolgreichen mittelständischen Unternehmer. Er betreibt die Friseur Masson AGmit Salons in Erfurt, Jena, Weimar und vier weiteren thüringischenStädten sowie in Berlin.

Reaktionen auf die Wahl

Die CDUin Sachsen-Anhalt vermied am Mittwoch zunächst direkte Kritik an den Parteifreunden inThüringen, bekräftigte aber ihr Nein zu einer Zusammenarbeit mit AfDund Linken. «Die Lehre aus diesem Wahlergebnis ist, dass an den linken und rechten Rändern nicht gezündelt werden darf», teilte der geschäftsführende Landesvorstand am Mittwochabend mit. Ihm gehören neben Parteichef Holger Stahlknecht weitere Spitzenpolitiker wie Ministerpräsident Reiner Haseloff, Landtagsfraktionschef Siegfried Borgwardt und Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch an. Es sei die einheitliche Meinung des Gremiums, sagte Stahlknecht am späten Mittwochabend.

Ramelows Genossen in Sachsen-Anhalt reagierten empört. «Das ist ein schwarzer Tag fürThüringenund ein rabenschwarzer Tag für die Demokratie», sagte Linken-Landeschef Stefan Gebhardt der Deutschen Presse-Agentur. «Wer mit Leuten arbeitet, die die Demokratie abschaffen wollen, hat sich selbst entlarvt.» Gebhardt äußerte die Sorge, die CDUin Sachsen-Anhalt könne dem Beispiel Thüringens folgen. «Die rechten Kräfte in der CDUhaben jetzt Oberwasser», sagte Gebhardt. Die CDU in Sachsen-Anhalt habe «schon oft rechts geblinkt».

Ähnlich äußerten sich die Grünen: «In Sachsen-Anhalt wird es am 6. Juni 2021 um die Frage gehen, ob Nazis durch CDU und FDP mit an die Macht gelassen werden», kommentierte der Landesvorsitzende Sebastian Striegel am Mittwoch die Ereignisse in Erfurt. Er bezog sich dabei auf den Termin der Landtagswahl im kommenden Jahr in Sachsen-Anhalt. «Wer CDU oder FDP wählt, wird mit einer Regierungsbeteiligung der AfD-Beteiligung aufwachen», fügte er hinzu.

Die SPDin Sachsen-Anhalt sah in der Wahl eine Gefahr für die Demokratie. «Wer geglaubt hat, die Bedrohung der Demokratie sei nicht real, ist heute eines besseren belehrt worden», teilten die SPD-Landesvorsitzenden Juliane Kleemann und Andreas Schmidt mit. Außerdem zogen die Sozialdemokraten Parallelen zum Aufstieg des Faschismus in der Weimarer Republik: «Wer geglaubt hat, Geschichte könne sich nicht wiederholen, muss alarmiert sein», hieß es in der Mitteilung.

FDP-Landeschef Frank Sitta nahm Kemmerich hingegen in Schutz. «Die Verfassung sieht die Möglichkeit genauso vor: Gewählt ist, wer in einer geheimen Wahl die meisten Stimmen hat», sagte Sitta der Deutschen Presse-Agentur. «Auch wenn das vielen jetzt nicht passt.» Kemmerich habe außerdem nicht um die Unterstützung der AfDgeworben und sich klar distanziert: «Man lässt sich nicht wählen, sondern man wird gewählt. Thomas Kemmerich hat selbst betont, dass sich die AfD ihren stärksten Gegner gewählt hat.»

Positiv bewerteten hingegen AfD-Politiker die Wahl des neuen Thüringischen Ministerpräsidenten. «Ein guter Tag fürThüringenund die Demokratie», twitterte AfD-Landeschef Martin Reichardt. «Eine bürgerliche Mehrheit hat einen Linksextremen als Ministerpräsidenten verhindert!» Das gebe Mut und sei ein klares Signal für Deutschland.

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