Ein Jahr nach einer eskalierten Demonstration der "Querdenker"-Szene in Leipzig haben in der Stadt wieder einige Tausend Menschen gegen Corona-Maßnahmen protestiert.
Dabei kam es am Samstag immer wieder zu Rangeleien, als Demonstranten versuchten, Polizeiketten zu durchbrechen. "Vereinzelt wurden Einsatzkräfte mit Gegenständen beworfen und mit Reizstoff besprüht", informierte Polizeisprecher Olaf Hoppe. Anders als vor einem Jahr gelang es aber, den nicht genehmigten Demonstrationszug über den geschichtsträchtigen Leipziger Ring zu verhindern.
"Das Ziel, einen nicht genehmigten Aufzug zu verhindern, wurde konsequent umgesetzt", bilanzierte die Polizeidirektion Leipzig. Sie wurde dabei von Kollegen aus sieben anderen Bundesländern und der Bundespolizei unterstützt. Auch waren drei Wasserwerferstaffeln vor Ort.
Für die Demonstration war überregional mobilisiert worden. Beobachter sprachen von einer angespannten Stimmung. Teilnehmer versuchten wie vor einem Jahr den Gang über den geschichtsträchtigen Ring zu erzwingen. "Laufen, laufen", riefen sie auf dem Weg vom Augustusplatz zum Bahnhof. Etliche Teilnehmer hatten Kerzen in den Händen. Die Polizei hatte jedoch die Straße abgesperrt und wurde von den Demonstranten ausgebuht. Zeitweise zogen einige Hundert Teilnehmer durch die Innenstadt. Sie wurden von der Polizei gestoppt beziehungsweise eingekesselt.
Die "Bewegung Leipzig" hatte zur Demonstration für Freiheit und gegen die Corona-Maßnahmen aufgerufen. Ursprünglich war sie für 3000 Teilnehmer angemeldet samt Zug über den Leipziger Ring. Wegen der verschärften Corona-Lage in Sachsen sind aber nur noch stationäre Kundgebungen mit maximal 1000 Teilnehmern zulässig. Schon am frühen Nachmittag wurde der Versammlungsort abgeriegelt, weil diese Zahl erreicht war. Jedoch hielten sich außerhalb noch viele weitere Anhänger auf. Die Polizei versuchte daraufhin weitere Demonstranten auf eine alternative Fläche umzuleiten.
Am selben Tag gab es eine weitere Kundgebung von Impfgegnern sowie einen Auto-Korso in der Stadt. Zudem versammelten sich zahlreiche Menschen zum Gegenprotest und organisierten Spontandemonstrationen.
Am 7. November 2020 hatte es eine "Querdenken"-Demonstration mit mindestens 20 000 Teilnehmern in Leipzig gegeben. Auch damals war ein Zug über den Leipziger Ring nicht gestattet. Nachdem die Kundgebung wegen zahlreicher Verstöße gegen Auflagen aufgelöst worden war, hatten jedoch Tausende den Gang über den Ring erzwungen.Der Ring war der Ort der Montagsdemonstrationen während der friedlichen Revolution 1989, die zum Ende der DDR geführt hat.
Rund um die Demonstrationen an diesem Samstag in Leipzig hat die Polizei 48 Straftaten und mehr als 600 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten aufgenommen. Gegen 43 Beschuldigte werde etwa wegen Beleidigung, Körperverletzung, Angriffs auf Polizisten, Landfriedensbruchs oder Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt, zog Polizeisprecher Olaf Hoppe am Sonntag vorläufig Bilanz.
Ein unbekannter Täter habe einem Polizisten Reizgas unter das Visier seines Helmes gesprüht, hieß es. Der Beamte erlitt Augenverletzungen und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Fünf weitere Polizisten wurden bei dem Einsatz am Samstag verletzt, waren aber weiter dienstfähig. In einem Fall werde auch wegen Körperverletzung im Amt ermittelt.
Den Angaben nach wurden mehr als 300 Platzverweise ausgesprochen. 24 Personen der rechten Szene seien in Gewahrsam genommen worden. Weil sich zahlreiche Demonstranten an mehreren Stellen zu Aufzügen formiert hätten und gegen die Corona-Verordnung verstießen, wurden laut Polizei zeitweise mehr als 500 Menschen festgesetzt und kontrolliert.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD)hat die jüngsten Proteste von Gegnern der Corona-Maßnahmen in seiner Stadt scharf verurteilt. «Spätestens seit gestern muss allen klar sein, dass die sogenannte Querdenker-Bewegung nicht nur die Begleitung von rechtsextremistischen Kreisen in Kauf nimmt, sondern sich kalkuliert gewalttätig unterstützen lässt», erklärte er am Sonntag, 7. November 2021 in einer Mitteilung. Es gebe keinerlei Berührungsängste zur radikalen Rechten und man verbünde sich sogar offen mit Neonazis. «Diese unsäglichen Proteste sind antidemokratisch unterwandert, verletzen bewusst die Regeln und Gesetze und sind Ausdruck einer egoistischen, unsolidarischen Haltung.»