Sebastian Kurz geht aus einem Raum im Bundeskanzleramt

Österreich: Kurz geht

Kanzler Sebastian Kurz (35) hat am heutigen Abend seinen Rücktritt verkündet. "Mein Land ist mir wichtiger, als meine Person. Was es jetzt braucht, sind stabile Verhältnisse. Ich möchte daher, um die Pattsituation aufzulösen, Platz machen."Er schlug Alexander Schallenberg (52), den bisherigen Außenminister, als seinen Nachfolger vor.

Kurz hat zwar gesagt, dass die Vorwürfe gegen ihn falsch sind und er das auch beweisen wird. Aber, da der Koalitionspartner seiner Partei auf seinen Rücktritt drängt und es geschehen könnte, dass die Kurz-Partei ÖVP gänzlich die Macht verliert, geht er. Parteivorsitzender will er aber bleiben und als Fraktionschef ins Parlament wechseln.

Staatsanwälte hatten Kurz (ÖVP) als Verdächtigen in einem Korruptionsfall um angeblich gekaufte Medienberichterstattung genannt. Ohne den Rückzug hätte ein Bruch der Koalition zwischen ÖVP und Grünen gedroht, dieKurzfür handlungsunfähig erklärt hatten. Mit seinem Rücktrittist der Fortbestand der Koalition gerettet. "Dies bedeutet, dass wir die Regierungsarbeit auf Basis des Regierungsprogramms fortsetzen können",sagte Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler nach der Erklärung vonKurz.

Am Mittwoch hatten Ermittler unter anderem das Bundeskanzleramt und die Parteizentrale der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) durchsucht. Laut der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft stehen enge Mitstreiter vonKurzim Verdacht, sich wohlmeinende Berichterstattung in einem Medienunternehmen erkauft zu haben, umKurzab 2016 den Weg an die Parteispitze und in das Bundeskanzleramt zu ebnen. Dafür soll Geld aus dem Finanzministerium zweckentfremdet worden sein. Die Ermittler sehen inKurzeinen Beteiligten an den Verbrechen der Untreue und Bestechlichkeit.

Über die Vorwürfe sagteKurzam Samstag:«Sie sind falsch, und ich werde das auch aufklären können. Davon bin ich auch zutiefst überzeugt.»

Die Grünen als Koalitionspartner der ÖVP hattenKurzfür nicht mehr amtsfähig erklärt und seine Rückzug gefordert - als Bedingung für die Fortsetzung der Zusammenarbeit. FallsKurznicht zurückgetreten wäre, hätten Oppositionsparteien am Dienstag ein Misstrauensvotum eingebracht. Einige Stimmen der Grünen hätten für eine Mehrheit ausgereicht.

Am Samstagabend werteten alle Oppositionsparteien den Wechsel vonKurzins Parlament als juristischen und machtpolitischen Schachzug. «SebastianKurztritt die Flucht in die parlamentarische Immunität an», sagte der Chef der rechten FPÖ, Herbert Kickl. Die Chefin der liberalen Neos Beate Meinl-Reisinger meinte, dassKurzweiter alle Fäden in der Hand behalten werde. Als ÖVP-Chef hatKurzweitreichende Befugnisse: Er kann das Regierungsteam, die Kandidatenlisten bei Parlamentswahlen sowie die politische Linie der ÖVPallein bestimmen.

Die konservativ-grüne Regierung unterKurzwar Anfang 2020 vereidigt worden. Zuvor hatteKurzvon 2017 bis 2019 mit der rechten FPÖ regiert.

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