In Nordgermersleben in der Börde hat eine Familie ein Loch für einen Swimming-Pool gegraben, doch schon nach 30 Zentimetern war Schluss. Dortfanden sie ein 3.000 Jahre altes Schwert aus der Bronzezeit. Die Himmelsscheibe von Nebra ist nur wenige hundert Jahre älter. Wahrscheinlich ist das Schwert Teil des Grabes eines wohlhabenden Kriegers. Einen Schädel fand man nämlich auch noch.Außerdem kamen noch eine Lanzenspitze und eine antike Rasiermesserklinge zum Vorschein. Das Schwert ihres Swimmingpool-Kriegers kann die Familie dann bald im Museum sehen.
Einen Tag vor Silvester 2020 bekam der Nordgermersleber Sascha Rochlitzer Besuch aus der Bronzezeit. An jenem milden Wintertag schachtete der Vater zweier Kinder die Grube für den Swimmingpool aus. Und stieß auf eine grünlich schimmernde Klinge. Weiteren Klingenbruchstücken folgte ein brüchiger Schädel. Sascha Rochlitzer hatte einen mehr als 3000 Jahre alten Fund aus der Nordischen Bronzezeit entdeckt. Eine Seltenheit für die Region, bestätigen auch die Experten vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie aus Halle.
Sascha Rochlitzers erster Verdacht betätigte sich. Es war keine abgebrochene Spitze des Gartenzauns, wie zunächst Gattin Dörte vermutet hatte. 30 Zentimeter unter der Grasnarbe schlummerten drei Jahrtausende lang ein Schwert, ein Rasiermesser und die Spitze einer Lanze. Allesamt gut erhalten. Der Schädel war kein Leichenfall für die Polizei. Alt-Dorflehrer Dieter Müller und Sascha Rochlitzer machten den Magnet-Test. Magnetisches Eisen war nicht im Spiel. Dafür Bronze. Die Bronzezeit. Genauer: Die mittlere bis späte Bronzezeit, insbesondere die nordische Bronzezeit (1300 bis 1100 Jahre vor Christus). In etwa der gleichen Zeit prägten Troja und der ägyptische Pharao Tutanchamun die Weltgeschichte. Die berühmte „Himmelsscheibe von Nebra“ ist nur einige hundert Jahre älter als der Fund in Nordgermersleben.
Das versicherte Dr. Götz Alper, Gebietsreferent des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie. Unter Alpers Anleitung hatten die Grabungstechniker Olaf Schröder und Heiko Heilmann mit Spachtel, Pinsel und Kelle das Grab des Kriegers aus der Bronzezeit fachmännisch freigelegt. Jedes Details wurde dokumentiert und zu weiteren Untersuchungen in die Werkstätten und Labore nach Halle gebracht. Die Untersuchungen sind noch nicht komplett abgeschlossen, aber eine Reihe von Details sind Alper zufolge naheliegend: Wahrscheinlich handelt es sich um die Reste des Hügelgrabs eines Kriegers der Oberschicht. Die Vermutung liegt nahe, dass in der Nordischen Bronzezeit eine oder mehrere Siedlungsgruppen entlang des Sellstedtbaches über mehrere Generationen gelebt haben. Die Grabbeigaben lassen auf ein Mitglied der Oberschicht jener Zeit schließen. Ein vor Jahren an der Nordgermersleber Hauptstraße (in Höhe der heutigen Sonnenuhr) entdecktes Grab (Frau mit Bronzering) stammt aus derselben Epoche.
Der Nordgermersleber Fund gilt als außergewöhnlich.
Die Zuordnung zu dieser Bronzezeit-Ära ermöglichen die Besonderheiten der einzelnen Funde, zum Beispiel die Rillenverzierungen entlang der 32 Zentimeter langen Schwertklinge. Die reichen Kreisaugen-Verzierungen im gut erhaltenen Knauf des Schwerts wurden durch Birkenpech eingefasst. „Das golden glänzende polierte Bronze mit dem feucht glänzenden Schwarz des Birkenpechs muss imposant ausgehen haben. Solche Waffen haben nur Männer einer Oberschicht getragen“, erklärte Götz Alper.
„Zwar gibt es auch in der Region Haldensleben Einzelfunde ähnlicher Schwerter, für diese sind die genauen Fundzusammenhänge aber nicht überliefert. Der Grabfund aus Nordgermersleben lässt wichtige Rückschlüsse auf die Siedlungsgeschichte zu. Zudem ist der Fund in Ostdeutschland das südlichste je gefundene Schwert der Nordischen Bronzezeit. Auch europaweit gibt es nur wenige südlichere Schwertfunde dieser Kulturgruppe“, unterstreicht Alper. Er und seine Chefin Dr. Susanne Friederich loben deshalb die „vorbildliche Sicherung und Information über den Fund durch Familie Rochlitzer“. Baustellenfunde würden nicht immer ordnungsgemäß gemeldet und durch illegal von Metallsondengängern ausgegeschachte Funde gingen bedeutende kulturgeschichtliche Informationen unwiederbringlich verloren. Darum sind in Sachsen-Anhalt Nachforschungen mit Metallsonde nicht erlaubt.
Sascha Rochlitzer erklärte: „Für uns war das eine Selbstverständlichkeit, ich bin selbst sehr an Geschichte interessiert. Umso mehr freuen wir uns jetzt über die Wertschätzung und Anerkennung“. Ein Besuch im Landesmuseum ist bereits verabredet – wenn es die Corona-Lage zulässt. Und sicher werden die Rochlitzers ihren „Krieger aus dem Swimmingpool“ dann auch besuchen.