Wenn Jörg Vollbrecht spazieren geht, richtet sich sein Blick automatisch in eine bestimmte Richtung. Bäume, ganz egal wo sie stehen, lassen ihn nie ganz los. Schließlich arbeitet Vollbrecht täglich mit ihnen zusammen. Etwa 10 000 Mal schaut er sich im Jahr Bäume genauer an. Der 58-Jährige ist Prokurist eines Sachverständigenbüros in Barleben. Zu seiner Arbeit gehört auch die Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen.
Ein Risiko stellen tote Stämme dar. «Jeder kleine Sturm ist eine neue Gefahr und kann dazu führen, dass Äste oder der ganze Baum auf die Straße fallen», sagt Sylke Mattersberger, Sachgebietsleiterin beim Landeszentrum Wald in Sachsen-Anhalt. Und das Problem könnte sich verschärfen. Denn landesweit werden demnächst wohl mehr Bäume sterben als in den vergangenen Jahren. Schuld daran hat die extrem trockene und heiße Witterung im Sommer. «Trockenheit setzt den Bäumen generell zu», erklärt Mattersberger.
«Ein Baum ist dann ein Verkehrsrisiko, wenn er vorgeschädigt ist», sagt Baumbegutachter Vollbrecht in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur im Magdeburger Rotehornpark. Risse oder sonstige Schäden – etwa nach Stürmen - an den Ästen, der Baumkrone oder am Stamm - schnell kann ein Baum zum Risiko werden. Grundsätzlich gilt laut dem 58-Jährigen: Nur wenn ein Baum stand- und bruchsicher ist, ist er auch verkehrssicher.
Mattersberger zufolge führt Dürre wie in diesem Sommer dazu, dass der Baum seinen Schutzmechanismus verliert und damit anfälliger gegenüber Schädlingen wie dem Borkenkäfer wird. «Bäume brauchen Feuchtigkeit, um sich mit Harz gegen den Erstbefall wehren zu können», sagt die Expertin. Vor allem Fichten sind betroffen. Das Insekt legt unter der Rinde seine Larven ab, die sich später durch den Baum fressen.
Die Folge: Der Baum stirbt ab und muss weg. Zwar könnten konkrete Aussagen erst nach der Vegetationsperiode im nächsten Frühjahr erfolgen. «Doch es ist damit zu rechnen, dass das Baumsterben in der nächsten Zeit größer ausfallen wird als im Vergleich zu den vergangenen Jahren, als eine normale Witterungslage vorherrschte», sagt Mattersberger.
Doch nicht nur die Auswirkungen des Sommers machen den Wäldern zu schaffen. Auch die Sturmfolgen von vor einem Jahr und dem Jahresbeginn sowie die überdurchschnittlichen Regenmengen von 2017 wirken noch immer nach. Viele umgefallene und gefällte Bäume wurden immer noch nicht beseitigt. «Die Sägewerke sind voll und der Holzmarkt ist nicht mehr aufnahmefähig, da zu viele Bäume wegen Sturmschäden beseitigt werden mussten», erklärt Mattersberger.
Dabei sei es wichtig, dass von Borkenkäfern befallene Stämme schnell aus dem Wald geschafft werden. Sonst besteht die Gefahr, dass die Insekten weiterziehen und unter die nächste Baumrinde kriechen.
Während sich in den Wäldern vorwiegend Förster um den Zustand der Bäume kümmern, übernehmen dies in den Städten spezielle Gutachter wie Jörg Vollbrecht.
Kontrolliert wird in zwei Schritten. «Zunächst erfolgt die visuelle Begutachtung. Man nimmt den Baum erstmal auf», erklärt Vollbrecht. Ohne technische Geräte wird der Baum rein optisch inspiziert, daneben werden auch das Umfeld und die Lage erfasst. Im zweiten Teil wird der Baum mit Werkzeugen wie einem Gummihammer oder einem speziellen Nadelbohrer untersucht. Aus den Daten wird am Computer ein Profil des Baumes erstellt.
Wird festgestellt, dass der Baum nicht mehr sicher ist, muss er aber nicht automatisch gefällt werden. Mitunter muss einfach nur abgestorbenes Holz beseitigt werden. «Dafür ist der Eigentümer des Baums zuständig», sagt Vollbrecht. Zu seinen Auftraggebern gehören Privatpersonen, aber auch Kommunen und Gemeinden vorwiegend aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.