In Sachsen-Anhalt ist der Anteil minderjähriger Mütter höher als in allen anderen Bundesländern. In 2018 hatten es 0,8 Prozent aller Kinder, die in dem Bundesland geboren wurden, eine Mutter unter 18 Jahren, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Das waren 137 Mädchen und Jungen. Bundesweit lag die Quote bei 0,3 Prozent.
Der Blick auf die vergangenen 20 Jahre zeigt sowohl für Sachsen-Anhalt wie auch deutschlandweit einen rückläufigen Trend bei Teenagern, die Mutter werden. 1998 brachten Minderjährige in Sachsen-Anhalt noch 247 Kinder zur Welt.Das entsprach einem Anteil von 1,4 Prozent. Bundesweit lag der Anteil damals bei 0,6 Prozent.
Die Gründe, warum der Anteil der Kinder, die von Minderjährigen geboren werden, in Sachsen-Anhalt höher als in anderen Bundesländern ist, seien vielfältig, sagte die Professorin für Familienplanung der Hochschule Merseburg, Ulrike Busch. Beispielsweise sei es in der ehemaligen DDRakzeptierter gewesen, früh eine Familie zu gründen. Bis heute gebe es möglicherweise noch die Einstellung, man kriege das schon hin, so ihre Vermutung.
Den generellen Rückgang bei minderjährigen Müttern erklärte Ulrike Busch so: «Jugendliche sind heute informierter, und grundsätzlich ist in ihrer Lebensplanung Familiengründung eher später dran». Dazu würden vielfältigere sexualpädagogische Angebote beitragen. Das Internet sei eine wichtige Informationsquelle für Jugendliche. Mit Blick auf Vorträge in Schulen meinte die Professorin: «Das sind in der Regel leider nur Einmal-Veranstaltungen, nachhaltige Effekte brauchen mehr». In Vorträgen werde meistens nur eines der vielen Themen aus der Sexualpädagogik beleuchtet.
Sie bemängelte auch den Zeitpunkt solcher Veranstaltungen. Häufig seien diese Themen für Schüler, die erst 12 oder 13 Jahre alt sind, noch nicht aktuell. Sie würde Angebote mit nachhaltigem Charakter empfehlen, beispielsweise Projekttage, an denen die Themen in unterschiedlichen Formen besprochen werden. Auch sollten die Angebote altersspezifisch wiederholt werden.
«Man sollte sich aber davor hüten, zu glauben, dass alles über Beratung oder sexuelle Bildung gelöst werden kann», sagte Ulrike Busch. Zur Sexualpädagogik gehöre eben nicht nur die Beratung: «Junge Menschen müssen auch ihre eigenen Entdeckungen und sexuelle Erfahrungen machen können. Das muss natürlich nicht gerade die Erfahrung einer frühen und ungewollten Schwangerschaft sein, aber das kann vorkommen, und dann brauchen die jungen Frauen kompetente und respektvolle Gegenüber.»
Für minderjährige Schwangere gibt es in Sachsen-Anhalt unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten. In den Beratungsstellen des AWO Kreisverbandes Magdeburg beispielsweise erhalten die jungen Frauen zunächst Informationen über die Hilfsangebote in der jeweiligen Stadt, sagte die stellvertretende Geschäftsführerin Denise Helbig. In der Schwangerschaftskonfliktberatung würden die Teenager auf das Risiko einer Schwangerschaft hingewiesen werden. «Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist immer absolut neutral», sagt Helbig - egal, ob die werdende Mutter minderjährig oder spätgebärend ist.
Der AWO Kreisverband Magdeburg bietet, wie auch andere Träger, betreutes Wohnen für minderjährige Mütter an. «Oft sind die minderjährigen Mütter dem Jugendamt aus diversen Gründen bekannt», erklärt Helbig. Häufig würden sie aus Familien mit einem bildungsfernen, wirtschaftlich schwachen Hintergrund stammen. In der professionell gestalteten Umgebung des betreuten Wohnens sollen die Mütter lernen, unabhängig mit ihrem Kind in der eigenen Wohnung zu leben.
Entscheidet eine Minderjährige, ihr Kind zur Welt zu bringen, übernehme in den meisten Fällen das Jugendamt die Vormundschaft dafür. Sobald die Mütter volljährig sind, gehe die sogenannte Personensorge für das Kind automatisch auf die Mutter über, erklärte Diplom-Sozialarbeiterin Helbig.
Daten des Statistischen Landesamtes in Sachsen-Anhalt zeigen für das Jahr 2018, dass mehr als die Hälfte der minderjährigen Mütter bei der Geburt ihres Kindes schon 17 Jahre alt waren. Sechs Mütter seien unter 15 Jahre alt gewesen, 24 junge Frauen brachten im Alter von 15 Jahren ihr Kind zur Welt.
Ulrike Busch wies darauf hin, dass viele junge Frauen ihre Teenager-Schwangerschaft abbrechen und würden. Je jünger die Schwangere sei, desto eher komme es zum Abbruch. Im Jahr 2018 wurden bei den 15- bis 18-Jährigen 98 Schwangerschaftsabbrüche in Sachsen-Anhalt registriert, wie Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen. Bei den unter 15-Jährigen seien es 15 gewesen. 20 Jahre zuvor seien es bei den 15- bis 18-Jährigen noch 263 gewesen, bei den unter 15-Jährigen 37.