Viel Wehmut wird sich Angela Merkel kaum anmerken lassen, wenn sie an diesem Donnerstag vom neuen US-Präsidenten Joe Biden empfangen wird. Es dürfte zwar ihr Abschiedsbesuch als Kanzlerin in Washington sein, denn bei der Bundestagswahl Ende September tritt Merkel nicht mehr an. Doch auf der Tagesordnung stehen zu viele wichtige Themen, als dass sich die für ihre Nüchternheit bekannte Kanzlerin gegen Ende ihrer Amtszeit doch noch so etwas wie Gefühlsduselei erlauben dürfte.
Der Blick von Merkel und Biden dürfte nach vorne gerichtet und optimistisch sein, wenn die Kanzlerin zum ersten Mal seit drei Jahren wieder im Weißen Haus empfangen wird. Nach den schwierigen Jahren mit Biden-Vorgänger Donald Trump soll der Besuch einen deutsch-amerikanischen Neuanfang markieren, selbst wenn der Umgang mit manch schwierigem Thema auch mit Biden nicht wirklich leichter geworden ist: etwa der Umgang mit China, der Streit um Zölle oder die Zukunft der Welthandelsorganisation WTO.
Der große Bahnhof, den Biden Merkel nun bereitet, zeigt, wie sehr er die Kanzlerin schätzt - und wie wichtig ihm gute Beziehungen zu Deutschland sind. Nach den üblichen Gesprächen - zuerst im ganz kleinen Kreis, dann gemeinsam mit den Delegationen - und einer Pressekonferenz richten der Präsident und First Lady Jill Biden im Weißen Haus ein Abendessen zu Ehren der Kanzlerin aus, auch Merkels Ehemann Joachim Sauer wird teilnehmen. Ein Treffen Merkels mit Vizepräsidentin Kamala Harris soll ebenfalls geplant sein - offiziell bestätigt wurde dies zunächst nicht.
Mehr als 20 Mal ist Merkel in ihrer Zeit als Kanzlerin über den Atlantik in die Vereinigten Staaten geflogen. Biden ist bereits der vierte US-Präsident, den sie in ihren bald 16 Amtsjahren erlebt hat.
Auch wenn Merkel nun auf Abschiedsbesuch bei Biden ist: Die Washington-Reise dürfte kaum ihr letzter Trip in die USA sein. Die in der DDR aufgewachsene Kanzlerin hat seit jeher ein besonderes Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Bei einer Rede im US-Senat hatte sie schon 2009 gesagt:«Meine Lebensplanung sah ja immer so aus, dass ich mir überlegt hatte, dass ich an dem Tag, an dem ich Rentnerin werde – und Frauen wurden das in der DDR mit 60 – dass ich an diesem Tag in die Bundesrepublik reise, dort meinen DDR-Ausweis gegen einen ordentlichen deutschen Pass eintausche und mich dann sofort aufmache auf eine Reise nach Amerika.»