In Sachsen-Anhalt startet ein Volksbegehren für mehr Lehrkräfte. Von Mittwoch an dürfen Unterschriften von Unterstützern gesammelt werden, wie das Bündnis aus Eltern-, Lehrer- und Schülervertretern am Dienstag in Magdeburg mitteilte. Vorher seien sie nicht gültig. Gleich zum Start am Mittwoch sind mehr als ein Dutzend Infostände unter anderem in Magdeburg und Halle geplant, um über das Vorhaben zu informieren. Die Organisatoren haben bis zum 7. Juli Zeit, um mehr als 163 000 Unterschriften zu sammeln.
Es gebe sehr viele Anfragen, sich am Volksbegehren zu beteiligen, sagte der Sprecher des Landeselternrats, Thomas Jaeger. Die Situation an den Schulen sei schwierig und reiche von durchlöcherten Stundenplänen bis hin zu zusammengelegten Klassen in Turnhallen.
Die Organisatoren wollen mit einem gesetzlichen Schlüssel vorschreiben, wie viele Lehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen und pädagogische Mitarbeiter es pro Schüler geben muss. Bildungsminister Marco Tullner (CDU) hatte zuletzt mehrfach betont, dass er sich nicht gegen mehr Personal sperre. Es fehle jedoch nicht an ausgeschriebenen Stellen, sondern an geeigneten Bewerbern.
Die ersten Unterschriften sammelt das Bündnis u.a. am Mittwoch in Wittenberg. Von 9 bis 12 Uhr sind Vertreter auf dem Arsenalplatz in der Lutherstadt und informieren über das Begehren.
Worum geht es genau bei dem Begehren? - Fragen und Antworten
Frage: Wie ist die Lage an den Schulen?
Antwort: Das kommt stark auf die einzelnen Schulen an. Allgemein lässt sich aber sagen, dass es zu wenige Lehrkräfte gibt. Die Situation an den Schulen sei schwierig und reiche von «durchlöcherten Stundenplänen» bis hin zu zusammengelegten Klassen in Turnhallen, fasste der Sprecher des Landeselternrates, Thomas Jaeger, zusammen. Den Prognosen zufolge haben in den nächsten Jahren Grund-, Förder- und Sekundarschulen den größten Personalbedarf.
Die sogenannte Unterrichtsversorgung sank zuletzt auf gut 96 Prozent. Die Landesregierung hat sich 103 Prozent zum Ziel gesetzt, um einen Personalpuffer zu haben. Bei 100 Prozent fällt rechnerisch gesehen kein Unterricht aus. In den vergangenen beiden Jahren stellte Sachsen-Anhalt jeweils mehr als 1000 neue Lehrkräfte ein. Dass das keinen Effekt auf die Unterrichtsversorgung hat, liegt laut Bildungsministerium auch daran, dass der Anteil neuer Kollegen in Elternzeit ebenso stetig steigt wie die Teilzeitquote.
Frage: Was steckt hinter dem Volksbegehren?
Antwort:Ein Bündnis von Eltern, Lehrern und Schülern sowie der Partei Die Linke will den Personalmangel und den damit verbundenen Unterrichtsausfall durch ein Gesetz beenden. Ihr Entwurf sieht einen gesetzlich verankerten Personalschlüssel vor. Konkret heißt das: Die Zahl der Lehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen sowie pädagogischer Mitarbeiter ist dann an die Anzahl der Schülerinnen und Schüler gekoppelt. Zudem sind Puffer für Ausfälle oder besondere Aufgaben vorgesehen. Damit solle eine Situation wiederhergestellt werden, die es schon einmal gab, sagte Bündnismitglied und GEW-Chefin Eva Gerth.
Frage: Was sollen die Pläne bringen?
Antwort: Laut GEW-Chefin Gerth gibt es bereits jetzt einen Personalschlüssel, mit dem festgelegt wird, wie viele Lehrer pro Schüler für jede Schulform gebraucht werden. Derzeit könne das Bildungsministerium diese Rechenformel jedoch jederzeit per Erlass ändern. Zuletzt sei das zu Ungunsten der Schulen auch passiert. Das Verfahren sei relativ undurchsichtig. Bei einem Gesetz könnten die Vorgaben auch geändert werden, müssten aber mit dem Landtag sowie allen Beteiligten diskutiert werden. «Genaue Planungszahlen bedeuten auch, dass der Mangel sichtbar wird», sagte Gerth. Derzeit sei nicht nur Eltern, sondern auch Lehrkräften unklar, wie viele Kollegen tatsächlich fehlten und welche vorgesehenen Angebote wegfielen.
Frage: Wie läuft das Volksbegehren jetzt ab?
Antwort: Die Organisatoren müssen zunächst vor allem Unterschriften sammeln, um ihre Pläne durchzusetzen. Offizieller Start ist am Mittwoch, ab dann sind gesammelte Unterschriften gültig. Die Frist endet am 7. Juli. In der Zwischenzeit müssen laut Bündnis gut 163 000 Unterschriften zusammenkommen. Erfasst werden sie mit vorbereiteten Sammelbögen, die ab Start laut Organisatoren auch auf der Internetseite des Bündnisses heruntergeladen werden können.
Zudem seien zahlreiche Infostände geplant, wo Unterstützer für das Volksbegehren unterschreiben könnten. So sind die Stände unter anderem am Mittwochnachmittag in Magdeburg sowie ganztägig an verschiedenen Punkten in Halle aufgebaut. Es gebe bereits sehr viele Anfragen von Menschen, die das Anliegen unterstützen wollten, sagte Thomas Jaeger vom Landeselternrat. Alle seien zuversichtlich, dass die nötigen Unterschriften zusammenkommen.
Frage: Was passiert, wenn genug Unterstützer zusammenkommen?
Antwort: Dann wird formal geprüft, ob auch ausreichend vollständige und gültige Unterschriften abgegeben wurden. Ist das der Fall, kommt der Gesetzentwurf in den Landtag. Die Abgeordneten können ihn unverändert annehmen. Tun sie das nicht oder arbeiten ein eigenes Gesetz aus, wird die Entscheidung per Volksentscheid getroffen. Derzeit gilt es als wahrscheinlich, dass in diesem Fall am Tag der Landtagswahl, dem 6. Juni 2021, auch über den Personalschlüssel abgestimmt werden könnte. Wenn sich ein Viertel der Wahlberechtigten beteiligt und die Mehrheit dafür stimmt, gilt das Gesetz.
Frage: Was macht die Landesregierung gegen den Lehrermangel?
Antwort: Bildungsminister Marco Tullner (CDU) sagte am Dienstag, er teile mit den Organisatoren des Volksbegehrens das Ziel, bestmögliche Bildung zu ermöglichen. «Dieses Ziel wird aber nicht mit der Brechstange zu erreichen sein.» Er verwies darauf, dass das Land in den vergangenen Jahren mehr als 3200 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt habe und die Ausbildungskapazitäten an den Unis erhöht wurden. «Es mangelt also nicht an Ressourcen, sondern an geeigneten Bewerbern», sagte Tullner. Laut Ministerium bedeuten die Pläne des Bündnisses ein Plus von 2700 Vollzeitstellen.
Aus Sicht der Organisatoren tut das Ministerium trotz aller Anstrengungen noch nicht genug, um den Lehrermangel zu bekämpfen. GEW-Chefin Gerth schlug unter anderem vor, in einem gewissen Umfang bereits Lehramtsstudierende stundenweise unterrichten zu lassen, es sollten auch die zweit- und drittplatzierten bei der Vergabe einer Stelle eingestellt und Abordnungen attraktiver gemacht werden. Zudem warb die Gewerkschaft erneut für die Idee, dass Lehrer ihre Überstunden auf Arbeitszeitkonten ansparen können. Seit Neustem können sich Lehrkräfte Überstunden auszahlen lassen.