Die Stadt Leipzig hat am Mittwoch an die friedliche Revolution in der DDR vor 30 Jahren erinnert. Am 9. Oktober 1989 hatten mindestens 70 000 Menschen in der Messestadt gegen das SED-Regime demonstriert. Der Tag gilt als Schlüsselmoment. Die schwer bewaffnete Staatsmacht schlug die Montagsdemonstration - entgegen aller Befürchtungen - nicht gewaltsam nieder. «Die Angst hatte die Seiten gewechselt», sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Festakt im Leipziger Gewandhaus. «Der 9. Oktober war ein großer Tag in der deutschen Geschichte.»
Überlagert wurden die Feierlichkeiten von den Ereignissen im benachbarten Halle. In der rund 50 Kilometer entfernten Stadt hatte ein schwerbewaffneter Täter versucht, in einer Synagoge ein Blutbad anzurichten. Er scheiterte jedoch. Danach soll er zwei Menschen erschossen und zwei weitere verletzt haben. In Leipzig wurde daraufhin die Zahl der Sicherheitskräfte erhöht. Steinmeier rief am Abend zur Solidarität mit jüdischen Mitbürgern auf. Das Lichtfest, emotionaler Höhepunkt der Feierlichkeiten in Leipzig, begann mit einerSchweigeminute.
Leipzig erinnert jährlich mit demLichtfestan den entscheidenden Tag im Herbst 1989. Nur einen Monat später fiel die Mauer in Berlin. Nach dem offiziellen Festakt im Gewandhaus, an dem viele damalige Bürgerrechtler teilnahmen, stand am Mittwochabend noch das Fest an in der Innenstadt an. Der Ring, über den 1989 die Demonstranten gelaufen waren, sollte dabei für Fußgänger geöffnet werden. Zudem hat eine Wiener Künstlerin an markanten Punkten «Lichträume» gestaltet, Licht- und Toninstallationen, die im Dunkeln für eine besondere Stimmung sorgen. Steinmeier wollte an demLichtfestebenso teilnehmen wie am Friedensgebet in der Nikolaikirche, dem Ausgangspunkt der Montagsdemonstrationen.
Der Bundespräsident würdigte den Mut der Demonstranten. «Den friedlichen Revolutionären schulden wir nicht nur Respekt.Wir schulden ihnen Dank - aus Ost und aus West.» Die Menschen damals hätten bewiesen, dass Veränderung möglich sei. «Ich bin mir sicher, es würde unserem Land gut tun, wenn wir das vielfältige Erbe der friedlichen Revolution fürs Heute nutzen.»
Steinmeier schlug in seiner «Rede zur Demokratie» allerdings auch viele nachdenkliche Töne an. Er sehe heute, 30 Jahre nach der friedlichen Revolution, ein Land, «das um seinen Zusammenhalt ringt». Der Umbruch habe die Menschen im Osten ungleich härter getroffen als im Westen. «Oft höre ich Geschichten von Entwurzelung, von zerbrochenen Gewissheiten.» Es sei Aufgabe der Politik, für gute Lebensverhältnisse zu sorgen. «Lasst diese Leute mit ihren Sorgen und Nöten nicht allein», mahnte der Bundespräsident.
Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD)sieht die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse als die «ganz zentrale Aufgabe, die wir haben, um unser Land nicht demokratisch auseinanderfallen zu lassen». Aus den Ereignissen von 1989 könne man Kraft schöpfen, sagte Jung, der derzeit auch Präsident des Deutschen Städtetages ist: «Alles ist veränderbar, nichts muss bleiben, wie es ist. Das ist die Lehre von 1989.»
Die Bundesregierung rief die Bürger am Mittwoch auf, ihre persönlichen Gedanken und Erlebnisse zur friedlichen Revolution in einem kurzen Video auf unseregeschichte.bund.de hochzuladen. So könnten sie einen persönlichen Beitrag zum «längsten Gespräch Deutschlands» leisten, das mit vielen Veranstaltungen am 9. November einen Höhepunkt finden solle, teilte das Bundesinnenministerium in Berlin mit.