Vegetarische Lebensmittel enthalten Ballaststoffe und wirken sich positiv auf das Mikrobiom im Darm aus. Auch dadurch könnten sie früher satt machen als solche aus tierischen Zutaten. "Menschen, die sich vorwiegend pflanzlich ernähren, nehmen daher womöglich weniger Energie auf", fügt Medawar hinzu. Neben einem veränderten Sättigungsgefühl könnten zudem Lebensstilfaktoren wie mehr Sport und ein höheres Gesundheitsbewusstsein eine entscheidende Rolle spielen.
Für den BMI scheint es dabei auch einen Unterschied zu machen, von welchen tierischen Produkten sich eine Person ernährt. Sind es vorwiegend sogenannte primäre Tierprodukte, das heißt Fleisch, Wurst und Fisch, hat die Person meist einen höheren BMI als jemand, der vorranging sekundäre Tierprodukte isst, also Eier, Milch, Milchprodukte, Käse und Butter. In ersterem Falle ist der Zusammenhang statistisch signifikant.
Die Forscherinnen fanden zudem heraus, dass vegetarische oder vegane Ernährung auch mit der Persönlichkeit zusammenhängt. Insbesondere mit einem der fünf großen Persönlichkeitsfaktoren, der Extrovertiertheit. Es zeigte sich, dass Menschen mit vorwiegend pflanzlichen Lebensmitteln auf dem Speiseplan introvertierter sind als solche, die sich vorrangig von Tierprodukten ernährten. "Woran das liegt, ist schwer zu sagen", so Veronica Witte. "Es könnte daran liegen, dass introvertiertere Personen eher zu restriktiverem Essverhalten neigen oder sich aufgrund ihres Essverhaltens stärker sozial abgrenzen." Auch hier müssten weitere Studien dazu folgen, wie sich Menschen mit den Eigenschaften ihrer Ernährung identifizierten.
Dass pflanzliche Ernährung mit neurotischem Verhalten einhergeht, wie es andere Studien vermuten ließen, konnten sie hingegen nicht bestätigen. "Frühere Analysen hatten herausgefunden, dass neurotischere Menschen generell häufiger bestimmte Gruppen an Lebensmitteln weglassen und sich dahingehend restriktiver verhalten. Wir fokussierten uns hier allein auf den Verzicht von tierischen Produkten und konnten keine Korrelation beobachten", erklärt Studienleiterin Veronica Witte.
Untersucht hatten die Wissenschaftlerinnen diese Zusammenhänge innerhalb des sogenanntenLIFE-Projekts, einer breit angelegten Studie in Kooperation mit dem Uniklinikum Leipzig. Die Ernährungsweise bestimmten sie anhand von Fragebögen, in die die Teilnehmer eintragen sollten, wie häufig sie die einzelnen Tierprodukte in den letzten 12 Monaten zu sich nahmen: von "mehrmals täglich" bis "nie". Die Persönlichkeitsmerkmale wie Extrovertiertheit und Neurotizismus erhoben sie anhand eines sogenannten Persönlichkeitsinventars (NEOFFI), die Depressivität mit dem sogenannten CESD-Test, einem Fragenbogen, der verschiedene Symptome einer Depression erfasst.