Bei der Diskussion um die Braunkohle macht Sachsen-Anhalts Regierungschef Druck: Erst neue Arbeitsplätze, dann der Kohleausstieg. In einer Regierungserklärung nennt Haseloff weitere Forderungen an den Bund.
Ministerpräsident Reiner Haseloff pocht auf eine stärkere Verantwortung des Bundes beim Strukturwandel in den Braunkohleregionen. Sachsen-Anhalt sei bereit für diesen Wandel und werde alles daran setzen, dass er erfolgreich sei. «Das erwarten wir aber auch vom Bund», sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Magdeburger Landtag. Der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung brauche Zeit und erfordere massive Investitionen, mahnte Haseloff. «Wichtig ist deshalb auch, dass wir den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen.»
Der Regierungschef mahnte erneut vor einer frühzeitigen Festlegung auf ein konkretes Datum zum Kohleausstieg. «Wenn das einzig Konkrete an diesem Ausstieg die Festlegung auf das Jahr ist, zu dem dieser erfolgen soll, ist das einfach zu wenig», sagte Haseloff. «Wir erwarten, dass der Ausstieg im Dialog mit den Menschen vor Ort realisiert wird und, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, bevor die alten wegfallen.»
Haseloff hatte zusammen mit den Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Nachbesserungen bei Strukturmaßnahmen gefordert. Wegen des Drucks der ostdeutschen Kohleländer soll die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission nun länger tagen als bislang geplant. Haseloff bezeichnete das am Donnerstag im Landtag als «gutes Signal». Die Kommission hat bereits erste Vorschläge gemacht, wie in den Kohleregionen in Ostdeutschland und Nordrhein-Westfalen neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Zudem soll das Gremium einen Zeitplan für den Kohleausstieg aufzeigen.
Haseloff sagte im Landtag, ein erfolgreicher Strukturwandel werde mindestens 30 Jahre dauern. Er verwies auf die Umbrüche zu Beginn der 1990er Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR. «Wir haben seit der Wiedervereinigung Deutschlands und der Neugründung Sachsen-Anhalts einen gewaltigen Strukturwandel bewältigt.» Dass das Land Anschluss an andere Bundesländer gefunden habe, sei nur durch umfangreiche Investitionen möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund sei klar, dass die bislang von der Bundesregierung in Aussicht gestellten 1,5 Milliarden Euro für alle Braunkohleregionen nicht ausreichten.
In seiner Regierungserklärung listete Haseloff zahlreiche weitere Forderungen an den Bund auf. Nötig sei in den betroffenen Regionen ein flächendeckender Ausbau der Breitbandnetze und ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wie Straßen und Bahnstrecken. Zudem nannte der Regierungschef den Aufbau einer modernen Forschungslandschaft und die Ansiedelung von Bundesbehörden, um Arbeitsplätze zu schaffen.
SPD und Grüne machten in der Landtagsdebatte auf die enormen Herausforderungen durch den Klimawandel aufmerksam. Bereits jetzt arbeiteten mehr als 20 000 Menschen in Sachsen-Anhalt im Bereich der erneuerbaren Energien, sagte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann. Das seien weit mehr als in der Kohleindustrie. «Ich will, dass Sachsen-Anhalt zum Musterland für erneuerbare Energien wird.» Auch die Erforschung weiterer Zukunftstechnologien wie künstlicher Intelligenz oder Speichertechnologien könne im Land stattfinden, sagte Lüddemann. «Wir brauchen mehr Mut zum Ausprobieren.» SPD-Fraktionschefin Katja Pähle sagte, die Energiewende präge schon jetzt das Land. Das dürfe aber nicht dazu führen, die Lebensleistung der Menschen in der Kohleindustrie herabzuwürdigen.
Auch die oppositionelle Linke bezeichnete den Kohleausstieg als unumgänglich. Der Ausstieg müsse aber sozialverträglich geschehen, forderte der Abgeordnete Andreas Höppner. Für die betroffenen Regionen brachte der eine staatliche Beschäftigungsgarantie ins Spiel. Die AfD hingegen plädierte für eine längere Nutzung der Braunkohle. Ein ganzer Wirtschaftszweig solle geopfert werden, um eine ideologisch motivierte Energiewende durchzusetzen, sagte der Abgeordnete Tobias Rausch. Es müsse auch eine Debatte über neue Tagebaue geführt werden.
Altmaier: Bei Kohleausstieg Menschen in Regionen mitnehmen
Mit Blick auf die Arbeit der Kohlekommission hat sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für einen sozial- und regionalverträglichen Kohleausstieg ausgesprochen. Es komme darauf an, die Menschen in den betroffenen Regionen mitzunehmen, sagte Altmaier am Donnerstag bei Haushaltsberatungen im Bundestag. Die Regierung werde dafür sorgen, dass in Regionen wie der Lausitz oder dem Mitteldeutschen Revier am Ende nicht weniger, sondern mehr Arbeitsplätze vorhanden seien. «Wir werden dafür sorgen, dass die Lausitz eine Energieregion bleibt, in der auch in Zukunft Energie aus erneuerbaren Quellen, aus Gas, aus anderen Quellen produziert wird, in der Forschung und Entwicklung möglich ist.» Er bekannte sich zugleich zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung.
Auf Druck vor allem der ostdeutschen Kohleländer soll sich die Kommission noch einmal vertieft um den Strukturwandel in den betroffenen Regionen kümmern, bevor ein Plan für den Kohleausstieg festgezurrt wird. Die Regierung will deswegen die Arbeit des Gremiums bis Januar verlängern, wie es am Mittwoch aus Kommissionskreisen hieß. Die Kohleländer Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten Nachbesserungen bei Strukturmaßnahmen gefordert.
SPD-Chefin Andrea Nahles nannte beim Arbeitgebertag in Berlin drei Punkte, die geklärt sein müssten, bevor ein Enddatum für den Kohleausstieg festgeschrieben werden könne. Es gehe um Versorgungssicherheit, wettbewerbsfähige Energiekosten und Strukturwandel. «Ich bin jedenfalls nicht bereit, den Leuten einfach was vor den Latz zu knallen, nach dem Motto: jetzt ist aber Schluss mit Braunkohle, ohne die anderen drei Fragen, die ich Ihnen eben genannt habe, sauber beantworten zu können», sagte sie. Es sei «noch viel zu tun, auch in der Strukturwandelkommission». Es gehe um ein Gesamtkonzept, nicht nur um klimapolitische Ziele.
Die Kommission wollte eigentlich kommenden Mittwoch ein Gesamtpaket mit Details zu Strukturwandel, Abschaltungen von Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken bis 2022 und einen Ausstiegsplan inklusive Enddatum vorlegen.