Der haitianische Präsident Jovenel Moïse ist bei einem Attentat getötet worden.
Interims-Ministerpräsident Claude Joseph sagte, eine Gruppe unbekannter Angreifer sei in der Nacht zum Mittwoch in die Privatresidenz des Staatschefs in der Hauptstadt Port-au-Prince eingedrungen und habe Moïse erschossen. Seine Ehefrau Martine Moïse sei angeschossen und in eine Klinik gebracht worden. Einige der Angreifer hätten Spanisch gesprochen, ergänzte Joseph zunächst. Später erklärte er dann, sie hätten Englisch oder Spanisch gesprochen. Weitere Details nannte er nicht, sprach jedoch von einem "hasserfüllten, unmenschlichen und barbarischen Akt".
Die Behörden hätten die Lage im Land jedoch unter Kontrolle. "Die Sicherheitslage des Landes ist unter der Kontrolle der Nationalen Polizei von Haiti und den Streitkräften von Haiti", teilte Joseph in einer Erklärung seines Büros mit. "Die Demokratie und die Republik werden siegen." In den frühen Morgenstunden waren die Straßen in Port-au-Prince weitgehend leer, in einem Viertel kam es zu Plünderungen. Polizisten seien zum Nationalpalast, zum wohlhabenden Vorort Pétionville und in andere Gegenden entsandt worden, ergänzte Joseph.
Eine Frau, die in der Nähe der Präsidentenresidenz lebt, wollte den Angriff mitangehört haben. "Ich dachte, das war ein Erdbeben, soviele Schüsse waren das", sagte die Anwohnerin, die aus Angst um ihr Leben ihren Namen nicht nennen wollte. "Der Präsident hatte Probleme mit vielen Leuten, aber wir hätten nicht erwartet, dass er auf diese Weise stirbt. So etwas wünsche ich keinem Haitianer."
Das Weiße Haus bezeichnete das Attentat auf Moïse als furchtbar und tragisch. Man sammele noch Informationen über den Vorfall, sagte US-Regierungssprecherin Jen Psaki dem Sender MSNBC. Präsident Joe Biden solle am Mittwoch vom nationalen Sicherheitsrat unterrichtet werden. Die USA seien zu jeglicher Unterstützung für Haiti bereit. Die US-Botschaft in dem Karibikstaat begrenzte unterdessen die Zahl ihrer Mitarbeiter auf dem Gelände. Am Mittwoch werde die Einrichtung zudem wegen "einer andauernden Sicherheitssituation" geschlossen.
Moïse, der 53 Jahre alt war, hatte das Land seit mehr als einem Jahr per Dekret regiert. Weil keine Wahlen stattfanden, wurde das Parlament aufgelöst. Die Opposition warf ihm vor, seine Macht noch weiter ausbauen zu wollen. Dazu gehörte die Verabschiedung eines Dekrets, das die Befugnisse des Gerichts einschränkte, das öffentliche Aufträge prüft. Außerdem wurde ein Geheimdienst geschaffen, der nur dem Präsidenten untersteht.
In den vergangenen Monaten forderten Oppositionspolitiker immer wieder den Rücktritt des Präsidenten und führten an, dass seine Amtszeit im Februar 2021 offiziell zu Ende gegangen sei. Moïse und seine Unterstützer machten dagegen geltend, seine Amtszeit habe erst Anfang 2017 begonnen, nach einer chaotischen Wahl, die die Ernennung eines provisorischen Präsidenten notwendig machte. Dieser blieb ein Jahr lang im Amt. Für dieses Jahr ist eine Parlamentswahl geplant.
Nach dem Attentat auf Moïse ist unklar, wohin Haiti steuert. Das Land befindet sich ohnehin in einer politisch prekären Lage, unter dem getöteten Staatschef nahmen die Instabilität und Unzufriedenheit im Volk aus Sicht von Beobachtern zu. Die Wirtschaft liegt am Boden, der Staat leidet unter einer galoppierenden Inflation, mitunter sind Lebensmittel und Benzin knapp. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als zwei Dollar am Tag. Hinzu kommt die schleppende Erholung vom verheerenden Erdbeben 2010 und von Hurrikan "Matthew", der das Land 2016 heimsuchte.
Haitis Ex-Präsident Michel Martelly, dem Moïse nachfolgte, sagte, er bete für First Lady Martine. Das Attentat auf den Staatschef nannte Martelly "einen harten Schlag für unser Land und für die haitianische Demokratie, die Mühe hat, ihren Weg zu finden."