Gucken wichtiger als Rettungsgasse?

Polizei zeigt Dutzende Gaffer an

Wer einen Unfall beobachtet, sollte schnellstmöglich das Handy zücken - um Hilfe zu holen. Nicht wenige tun das erste, lassen das zweite und filmen das Geschehen. Das kann teuer werden.

Sie bremsen ab, um den Unfall auf der Gegenspur genauer zu betrachten, filmen gar das Geschehen und behindern im schlimmsten Fall auch noch die Rettungskräfte:Gaffer sind eine verbreitete wie ungeliebte Spezies auch aufSachsen-Anhalts Straßen.

Um das Problem in den Griff zu bekommen, hat der Gesetzgeber zuletzt mehrfach schärfere Strafen festgelegt, etwa wenn Schaulustige keine Rettungsgasse bilden - doch die müssen auch durchgesetzt werden.

"Die Erfahrungen der Polizei in den zentralen Verkehrs- und Autobahndiensten im Land zeigen, dass die Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse regelmäßig nicht eingehalten wird", teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit. In den vergangenen eineinhalb Jahren (Januar 2018 bis 27. Juni 2019) hat die Polizei deswegen knapp 90 Autofahrer angezeigt. Zudem zählte die Polizei in 2017 sowie 2018 jeweils etwas mehr als 90 Fälle, in denen Helfer behindert wurden oder Menschen nach einem Unfall selbst versäumten, wie vorgeschrieben Hilfe zu leisten.

Doch das Problem ist laut Ministerium größer als die Zahl der Anzeigen suggeriert. Denn nicht alle Behinderungen werden geahndet. Die Dokumentation der Verstöße sei schwierig und binde Personal, hieß es. Vor Ort hätten andere Aufgaben für die Beamten oft größere Priorität: Schnell die Unfallstelle räumen, den Stau schnell auflösen, um weitere Unfälle am Ende zu verhindern oder selbst als Ersthelfer einzuspringen, zählte der Sprecher Beispiele auf.

Gaffer kommen daher aufSachsen-Anhalts Straßen häufig ungeschoren davon. Dabei wurden zuletzt mehrfach Gesetze verschärft, um dem Problem zu begegnen: Seit Ende 2017 kostet die Rettungsgassen-Verweigerung nicht nur 20 Euro Verwarngeld, sondern bis zu 320 Euro. Hinzu kommen bis zu zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot. Seit zwei Jahren ist das Behindern von Helfern und Rettern eine Straftat.

Doch Autobahnpolizisten und Feuerwehrleute müssen trotzdem immer wieder gegen filmende Schaulustige kämpfen, die im schlimmsten Fall noch im Weg stehen. Fotografierende und filmende Gaffer seien ein relativ neues Problem für die Verkehrssicherheit, hieß es aus dem Innenministerium. "Die Frage, ob es sich hierbei um ein wachsendes Phänomen handelt, lässt sich allerdings fürSachsen-Anhaltnicht verlässlich belegen."

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