Autofahrer in Großbritannien haben derzeit große Schwierigkeiten, an Benzin oder Diesel zu kommen, weil es nicht genügend Lastwagenfahrer gibt. Vor den Tankstellen bilden sich lange Schlangen, an vielen ist auch gar nichts mehr zu bekommen. Besonders in London und im Südosten des Landes ist die Lage angespannt. In Schottland sowie im Norden Englands sei die Krise hingegen so gut wie vorüber, berichtete die BBC am Sonntag unter Berufung auf den Tankstellenverband Petrol Retailers Association. Wegen des EU-Austritts (Brexit) haben viele Trucker das Land verlassen und sind auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt.
Für Verwunderung bei Deutschen im Land sorgt eine verzweifelt wirkende Briefkampagne, bei der offenbar wahllos Menschen mit entsprechenden Führerscheinen aufgerufen wurden, sich ans Steuer eines Lkw zu setzen - auch wenn sie das zuvor noch nie getan haben. Weil bei Führerscheinen der Klasse 3, die in Deutschland bis 1999 ausgegeben wurden, auch das Fahren eines Lasters bis 7,5 Tonnen erlaubt ist, erhielten einem Bericht des «Independent» zufolge Tausende Deutsche entsprechende Schreiben.
In Großbritannien fehlen derzeit Schätzungen zufolge etwa 100 000 Lastwagenfahrer. Das führte auch bereits zu leeren Regalen in Supermärkten. Auch in anderen Branchen, beispielsweise in der Fleischindustrie, gibt es einen erheblichen Mangel an Fachkräften. Arbeitnehmer aus östlichen EU-Staaten sind seit dem Entschluss der Briten zum Austritt aus der EU in großer Zahl abgewandert.
Zumindest kurzfristig will London aber auf ausländische Fachkräfte zurückgreifen. Um den Kraftstoffmangel in den Griff zu bekommen, kündigte die Regierung am Samstag an, die Fristen für die bereits geplanten Arbeitsvisa zu verlängern. So sollen Visa für 300 Tanklastfahrer umgehend ausgestellt werden und bis März gelten.
Insgesamt sollen von Ende Oktober an 5000 ausländische Fernfahrer für eine befristete Dauer ins Land gelockt werden. Statt bis Weihnachten sollen sie nun bis Februar bleiben können. Ob das befristete Angebot bei polnischen und anderen osteuropäischen Fahrern auf Interesse stößt, wird von Verbänden auf dem Kontinent jedoch bezweifelt. Bereits von Montag an sollen etwa 200 britische Militärangehörige, darunter 100 Lkw-Fahrer, beim Verteilen von Kraftstoff helfen.