Angesichts der rasanten Verbreitung der ansteckenderen Corona-Variante Omikron rücken mögliche schärfere Beschränkungen und neue Quarantäne-Regeln näher. Aus Sicht der Bundesregierung dürfte Omikron schon in wenigen Tagen auch deutschlandweit die dominierende Virusform sein. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die Ressortchefs der Länder legten am Mittwoch, 5. Januar 2022jeweils Vorschläge zu künftigen Quarantäne-Vorgaben vor - mit kürzeren Auszeiten für Personal in wichtigen Versorgungsbereichen geknüpft an PCR-Tests. Politik und Experten mahnten, trotz meist milderer Krankheitsverläufe bei Omikron Risiken für schwere Erkrankungen nicht zu unterschätzen.
Vor den nächsten Corona-Beratungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD)mit den Ministerpräsidenten an diesem Freitag, 7. Januar liegen nun erste konkrete Konzepte auf dem Tisch. Im Blick stehen Quarantäne-Verkürzungen vor allem für Beschäftigte in der «kritischen Infrastruktur», um etwa Kliniken, Pflegeheime, Wasser- und Energieversorgung auch im Fall stark zunehmender Infektionen am Laufen zu halten. Lauterbach sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch): «Studien zeigen, dass die Generationszeit - also auch die Phase, in der sich das Virus im Körper ausbreitet und die Phase, in der ein Mensch ansteckend ist - bei Omikron viel kürzer ist.» Daher könnten Quarantänezeiten bis zu einem gewissen Grad verkürzt werden, «ohne ins Risiko zu gehen».
Laut einem Plan von Gesundheitsministerium und Robert Koch-Institut (RKI)soll die Unterscheidung zwischen gängigen Virusformen und neuen «besorgniserregenden» Varianten entfallen. Noch gibt es für Omikron strengere Empfehlungen. Allgemein soll gelten, dass man nach sieben Tagen aus einer Quarantäne als Kontaktperson von Infizierten oder einer Isolation wegen einer eigenen Infektion heraus kann. Bedingung ist aber ein anschließender negativer PCR-Test oder ein «hochwertiger» Schnelltest. Nach zehn Tagen soll die Absonderung ohne Test enden, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuvor berichteten «Bild»-Zeitung und «Spiegel» darüber.
Für die kritische Infrastruktur soll gelten: Kontaktpersonen können nach fünf Tagen mit obligatorischem PCR-Test aus der Quarantäne heraus, Erkrankte nach sieben Tagen ebenfalls nur mit PCR-Test aus einer Isolation. Bedingung soll demnach zusätzlich sein, dass man zuvor mindestens 48 Stunden frei von Krankheitssymptomen war. Ganz generell sieht der Vorschlag außerdem vor, dass unter anderem «Geboosterte» ab sieben Tagen nach der dritten Impfung von einer Quarantäne als Kontaktperson ausgenommen sein sollen.
Nach Beratungen mit Lauterbach beschlossen die Länderminister einstimmig eigene Empfehlungen. Geimpfte Beschäftigte der kritischen Infrastruktur sollen demnach eine Isolation wegen einer Infektion «zum Zwecke der Arbeitsaufnahme» nach fünf Tagen mit einem negativen PCR-Test beenden können. So soll es in diesem Bereich auch bei der Quarantäne für enge Kontaktpersonen ohne Symptome möglich sein.
Generell sollen symptomfreie enge Kontaktpersonen für sieben Tage in Quarantäne gehen - Ungeimpfte könnten sie dann nur mit PCR-Test beenden. «Geboosterte» bräuchten nicht mehr in Quarantäne, ihnen sollen regelmäßige Selbsttests empfohlen werden. Die Vorsitzende der Länder-Minister, Petra Grimm-Benne aus Sachsen-Anhalt, sagte, man müsse zu einfacheren Regelungen kommen. «Wir wollen, dass die Menschen das verstehen, und wir wollen Lösungen haben, die die Gesundheitsämter mittragen», sagte die SPD-Politikerin.
Sie betonte aber auch, dass in Sachsen-Anhalt das Infektionsgeschehen aktuell noch von der Delta-Variante bestimmt werde. «In den Bundesländern ist das noch sehr unterschiedlich. In Sachsen-Anhalt ist immer noch die Delta-Variante vorherrschend.» Dort, wo sich die Omikron-Variante verbreite, sei das Ausbruchsgeschehen «sehr schnell», stellte sie fest. «Wir werden wahrscheinlich mit sehr hohen Inzidenzwerten zu rechnen haben.»
Das Bundesgesundheitsministerium geht derzeit von einem Omikron-Anteil von 25 Prozent für Deutschland aus, wie ein Sprecher sagte. In einigen Ländern besonders im Norden sei die neue Variante aber schon vorherrschend. Insofern sei davon auszugehen, «dass in kurzer Zeit, in wenigen Tagen Omikron eigentlich auch bundesweit die dominierende Variante sein wird». Seit Ende Dezember steigt die Sieben-Tage-Inzidenz. Die Zahl der erfassten neuen Infektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen liegt laut RKInun bei 258,6. Binnen eines Tages wurden 58912 neue Fälle und 346 Tote gemeldet.
Der Berliner Virologe Christian Drosten bekräftigte, Daten wiesen darauf hin, dass bei Omikron-Infektionen ein kleinerer Anteil der Infizierten ins Krankenhaus müsse. Doch das individuelle Risiko bleibe. «Es gibt junge Leute Mitte 20, die auf der Intensivstation landen», sagte er im NDR-Podcast. Es gebe Berichte von Leistungssportlern, die nach fast asymptomatischer Infektion noch wochenlang nicht trainieren könnten. «Das kommt einfach daher, dass das Lungengewebe geschädigt wird.» Das könne Monate dauern. Regierungssprecher Steffen Hebestreit mahnte, man könne auch mit Omikron krank werden und für eine ganze Weile ausfallen.
«Verschärfungen werden leider notwendig sein, um der schweren Welle, die auf uns zukommt, zu begegnen», sagte Lauterbach mit Blick auf Alltagsbeschränkungen. Offen war zunächst, ob der Expertenrat der Regierung noch eine Stellungnahme vor der Bund-Länder-Beratung abgibt. Drosten bekräftigte: «Was richtig schützt gegen Omikron ist die Dreifach-Impfung.» Die Booster- und Impfkampagne habe über die Feiertage einen «leichten Knick» gehabt, räumte die Bundesregierung ein.Impfungen ziehen aber wieder an. Gut40 Prozent der Bevölkerung haben inzwischen eine Booster-Impfung. Grundschutz mit der meist nötigen zweiten Spritze haben 71,4 Prozent der Gesamtbevölkerung.