Unmittelbar vor dem Beginn der Weltklimakonferenz in Madrid wollen am Freitag erneut Abertausende Menschen in aller Welt für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen. Der deutsche Ableger der Klimabewegung Fridays for Future kündigte Aktionen in mehr als 500 Städten hierzulande an. Allein in Berlin wurden bei der Polizei 50 000 Teilnehmer für eine Demonstration angemeldet, die vom Brandenburger Tor durch das Regierungsviertel führen soll.
International sind nach Angaben des Netzwerks über 2400 Städte in 157 Ländern dabei. Es handelt sich um die vierte Auflage eines weltweit koordinierten Großprotests dieser Art.
Die Klimaproteste gehen auf eine Protestaktion der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg zurück, die sich viele Menschen in aller Welt im Kampf gegen die Klimakrise zum Vorbild genommen haben. Thunberg selbst wird den Protesttag an einem ungewohnten Ort verbringen: Die 16-Jährige segelt gerade auf einem Katamaran über den Atlantik zurück, um an der am Montag beginnenden Weltklimakonferenz sowie an einem großen Protest in Madrid am kommenden Freitag teilnehmen zu können. Ob sie es zeitlich schafft, ist unklar.
Für Deutschland fordert Fridays For Future unter anderem, bis Ende 2019 alle Subventionen für fossile Energieträger zu streichen und ein Viertel der Kohlekraft abzuschalten. Zudem müsse Deutschland bis 2035 auf eine komplett erneuerbare Energieversorgung umschwenken. Nach neuen Zahlen des Umweltbundesamts hat sich die mittlere Lufttemperatur in Deutschland von 1881 bis 2018 bereits um 1,5 Grad erhöht - und allein in den letzten fünf Jahren um 0,3 Grad.
Fridays For Future im SAW-Land
In Sachsen-Anhaltsind etliche Demos angemeldet. Um 11.30 Uhr geht es in Salzwedel los, um 12 Uhr in Halle. Hier läuten um 5 vor 12 die Kirchenglocken. InDessau-Roßlau startet die Demo um 12.30 Uhr, in Magdeburg um 15 Uhr.
In Sachsensnd etwa 20 Aktionen geplant. In Leipzig rechnen die Veranstalter der Hauptdemo mit etwa 5.000 Menschen, die für besseren Klimaschutz demonstrieren werden. Die Stadt hat Verkehrseinschränkungen angekündigt.
In Thüringensind Veranstaltungen etwa an der Stadtkirche in Jena, auf dem Erfurter Bahnhofsvorplatz, am Bauhaus Museum in Weimar und am Geraer Kultur- und Kongresszentrum geplant.
Auch in Niedersachsen wird demonstrtiert, u.a. in Hannover, Wolfsburg, Braunschweig, Celle und Göttingen. Allein in Hannover (12.30 Uhr) rechnet die Polizei mit einer «hohen vierstelligen Zahl» an Demonstranten, wie ein Sprecher sagte. Die Bewegung erwartet rund 7000 Teilnehmer.
Klimaaktivisten planen Blockaden im Leipziger Revier
Mit Mahnwachen, Menschenketten und Blockaden wollen Klimaaktivisten am Wochenende im Leipziger Revier für einen sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle protestieren. Die Veranstalter rechnen mit mehreren hundert Demonstranten im Leipziger Revier, in der Lausitz erwarten sie Tausende Demonstranten. «Wir wollen an den Orten der Zerstörung mit unseren Körpern das Anhalten der Klimakrise verhindern», sagte Sina Reisch, Sprecherin des Bündnisses «EndeGelände», am Donnerstag in Leipzig. Mit zivilem Ungehorsam solle Kohleinfrastruktur blockiert werden. Man wolle bewusst die Grenzen des Erlaubten überschreiten.Genaue Orte und Zeiten wollte sie nicht nennen.
Auch andere Umweltaktivisten wollen sich an den Protesten beteiligen. Fridays for Future in Leipzig habe etwa eine Demonstration vom Marktplatz in Neukieritzsch (Landkreis Leipzig) zum Kraftwerk Lippendorf mit Menschenkette am Tagebau angemeldet. Eine Genehmigung liege noch nicht vor, so Sprecherin Sophia Salzberger. «Wir wollen hier lokal ein Zeichen setzen», erklärte sie. Dabei solle ein «friedliches Bild» transportiert werden. Einige Leipziger Klimaaktivisten wollen außerdem die Proteste in der Lausitz vor Ort unterstützen, dafür sei ein Bus organisiert worden.
Die Mitteldeutsche Braunkohle AG hatte die Proteste schon Mitte der Woche kritisiert und vor gewaltsamenÜbergriffen gewarnt. Nach dem beschossenen Kohle-Aus sollten Provokationen und Proteste der Vergangenheit angehören, hieß es in der Erklärung.
Klimapaket im Bundesrat gestoppt
Der Bundesrat hat mehrere im Klimapaket vorgesehene Steuer-Änderungen vorerst gestoppt - darunter die Erhöhung der Pendlerpauschale, die steuerliche Förderung für Gebäudesanierung und die Steuersenkung für Bahntickets im Fernverkehr. Die Länderkammer beschloss dazu am Freitag in Berlin einstimmig, den Vermittlungsausschuss anzurufen, in dem Bundestag und Bundesrat nun nach Kompromissen suchen müssen. Es geht etwa um die Verteilung von Kosten zwischen Bund und Ländern. Auch an anderen Teilen des Klimapakets gab es Kritik, aber keine Einigung auf einen Auftrag für den Vermittlungsausschuss.
Da diese Teile nicht zwingend die Zustimmung der Länder brauchen, ist für sie der Weg nun frei: das Klimaschutzgesetz mit festen Vorgaben fürs Einsparen von Treibhausgasen in Einzelbereichen wie Verkehr oder Landwirtschaft, der CO2-Preis im Verkehr und beim Heizen, der fossile Kraft- und Heizstoffe verteuern soll, und eine Erhöhung der Ticketsteuer beim Fliegen.
Die Bundesregierung wünscht sich, noch vor Weihnachten auch für die vorerst gestoppten Regelungen einen Kompromiss zu finden. Das halten einige Ländervertreter für sehr ehrgeizig oder auch unwahrscheinlich. Insbesondere - aber nicht nur - die Grünen wollen beim Klimaschutz an sich nachverhandeln, während es anderen eher um finanzielle Fragen geht, sie sehen Länder und Kommunen gegenüber dem Bund benachteiligt. Für Bayern sagte Landeschef Markus Söder (CSU), der Bundesrat solle sich konstruktiv geben und Finanzfragen klären, aber das Paket nicht grundsätzlich blockieren.
Baden-Württemberg hatte dagegen vor der Sitzung beantragt, das Gesamtpaket im Vermittlungsausschuss zu verhandeln. Der CO2-Preis, der Sprit und Heizöl verteuern soll, habe «Konstruktionsfehler», sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der Einstieg sei zu niedrig, um zu lenken, und es gebe verfassungsrechtliche Bedenken. In Richtung Söder sagte er, der Vermittlungsausschuss sei ein Instrument, Blockaden aufzulösen.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte, niemand wolle faire Bahnpreise verhindern - aber man müsse noch über die Frage sprechen, welche Einnahmen wem zugute kämen. Auch er kritisierte ähnlich wie Kretschmann den CO2-Preis als im Einstieg «einfach zu niedrig». Er werde keine Lenkungswirkung entfalten, und warb dafür, mehr als nur die Steuer-Regeln nachzuverhandeln.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verteidigte den geplanten CO2-Preis als Handel mit Verschmutzungsrechten, er sei ein großer Schritt. «Überall außerhalb Deutschlands wird dieses Klimapaket begrüßt», sagte er. Es sei aber gut, dass der Bundesrat geschlossen beim Steuerrecht den Vermittlungsausschuss anrufe.