Ob Männer oder Frauen, ob 14 Jahre oder 40 Jahre alt - in Sachsen-Anhalt haben im vergangenen Jahr 986 Stalking-Opfer eine Anzeige erstattet. 2017 gab es 1070 Opfer, wie das Landeskriminalamt (LKA)in Magdeburg mitteilte. Aus Sicht von Experten liegt die Dunkelziffer vermutlich weit höher. «Die Opfer müssen nachweisen, dass sie gestalkt werden», sagte die Leiterin der Interventionsstelle «Häusliche Gewalt und Stalking», Silke Voß, in Halle. Das würde viele Menschen davon abhalten, zur Polizei zu gehen. In ihrer Beratungsstelle suchten nicht nur Frauen, sondern auch Männer und sogar Heranwachsende Hilfe.
Stalking bedeute, dass ein Mensch wiederholt und über einen längeren Zeitraum hinweg gegen seinen Willen verfolgt werde, erklärte Voß. Die Opfer könnten gesundheitliche oder psychosoziale Probleme davontragen. Viele könnten nicht mehr schlafen oder essen. Andere isolierten sich aus Angst, dass Freunde oder Familienangehörige ebenfalls belästigt werden könnten.
Der überwiegende Teil der Betroffenen sind laut LKAFrauen. Aber auch 183 Männer gerieten im vergangenen Jahr ins Visier von - meist weiblichen - Stalkern. «Männer sehen sich zunächst oft nicht als Opfer», sagte die Leiterin der Beratungsstelle weiter. Sie meldeten sich häufig erst bei Beratungsstellen oder der Polizei, wenn sie eine neue Partnerin hätten, die sie dazu dränge. Oft seien es die verflossenen Geliebten, die nach einer Trennung den Männern hinterher stellten, sie verfolgten, beobachteten oder mit Nachrichten auf dem Smartphone bombardierten. Meist beginne das Stalking von Frauen recht harmlos, mit lieben Texten, kleinen Briefen und werde später zur enormen Belastung für die Betroffenen.
Auch bei Heranwachsenden tauche das Phänomen auf, so Voß. «Wenn Jugendliche zu uns kommen, dann meist, weil sie von Ex-Partnern belästigt werden», erklärte die Expertin. Soziale Netzwerke wie Instagram oder Nachrichtendienste wie WhatsApp spielten heutzutage eine große Rolle. Die Stalker könnten teilweise anonym ihre Opfer ausspähen, ihnen Nachrichten senden und so unter Druck setzen. «Die Jugendlichen müssen deshalb ganz genau überlegen, welche Fotos sie in sozialen Netzwerken von sich preisgeben wollen», sagte Voß. Auch Kinder unter 14 Jahren könnten zu Opfern werden, wenn beispielsweise die Mutter in den Fokus eines Stalkers gerate. Im vergangenen Jahr erfasste das LKA 40 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren sowie 31 Kinder unter 14 Jahren als Stalking-Opfer.
Stalker seien sich oft nicht im Klaren, dass sie eine Straftat begehen würden, sagte Voß weiter. Laut LKA kann eine sogenannte Nachstellung, wie das Stalking im Fachjargon heißt, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden. Führt das Stalking zum Tod des Opfers muss der Stalker mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe rechnen.
Menschen, die sich verfolgt fühlten, sollten ihre Stalker ignorieren, wie die Beratungsstellenleiterin empfiehlt. Außerdem sollten alle Briefe, SMS oder anderen Dokumente gesammelt werden. Auch ein Stalking-Tagebuch sei angebracht, sagte Voß. Zudem sollten Opfer andere Wege zur Arbeit gehen, ihre Kinder zu unterschiedlichen Zeiten in die Kita bringen oder den Supermarkt wechseln. Der Stalker wolle nur die Aufmerksamkeit seines Opfers. «Opfer sollten die Stalker deshalb ignorieren.»