Teströhrchen für einen Covid-19-Antikörpertest

Einführung von Immunitätsnachweisen?

Debatte über Impflicht und den richtigen Weg im Kampf gegen Corona

Um im Kampf gegen das Corona-Virus langanhaltend erfolgreich zu sein, hat Gesundheitsminister Jens Spahn einen Immunitätsnachweis vorgeschlagen. Dabei soll es sich um einen zertifizierten Nachweis handeln, der die Immunität gegen das Virus bescheinigen. Aktuell ist allerdings noch nicht bewiesen, ob nach einer Erkrankung überhaupt eine vollständige Immunität zu erwarten ist oder ob sich ehemalige Patienten ein zweites Mal mit der Lungenerkrankung anstecken könnten.

WHO warnt vor Immunitätsnachweisen

Besonders im Hinblick auf Pflegekräfte könnten die Nachweise hilfreich sein, erklärt Spahn: "Im Gesundheitswesen zum Beispiel, bei Pflegekräften, Ärzten, wäre es natürlich sehr gut auch zu wissen, wer schon eine Immunität hat gegen dieses Virus."So könnte beispielsweise herausgefunden werden, welche Mitarbeiter sich nicht mehr infizieren können und somit geschützt sind.Die Weltgesundheitsorganisation warnt allerdings davor, solche Nachweise einzuführen: "Es gibt im Moment keinen Nachweis, dass Menschen, die sich von Covid-19 erholt und Antikörper haben, vor einer zweiten Infektion geschützt sind."

Auch Patientenschützer lehnen Vorschlag ab

Andere kritische Stimmen sorgen sichüber eine möglicheZwei-Klassen-Gesellschaft zwischen immunen und nicht-immunen Menschen. So wird befürchtet, dass die Kontaktbeschränkungen für Menschen mit Immunitätsnachweis aufgehobenund dadurch absichtliche Ansteckungen gefördert werden könnten. Auch Patientenschützer lehnen die Vorschläge der Bundesregierung ab."Der Immunitätsausweis wäre ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte", sagte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland(RND). Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußerte seine Bedenken und befürchtet, es könne dazu kommen, dass sich Menschen absichtlich infizierten und damit in Gefahr brächten, um immun gegen das Virus zu werden, "auch aus wirtschaftlicher Not". Anders wäre es jedoch, wenn die Forschungen um einen Impfstoff erfolgreich wären: "Wenn es aber einen Impfstoff gibt, ist ein Immunitätsausweis sinnvoll", sagte der SPD-Politiker der "Passauer Neuen Presse".

Bürger-Proteste

Seid einiger Zeit formiert sich deutschlandweit wieder eine Bürgerbewegung, die auf die Straße geht.

Der Leipziger Parteienforscher Hendrik Träger sieht für die Demonstrationen eine vielfältige Motivlage. Es gibt klassische Impfgegner, Bürger, die ihre Rechte schwinden sehen, Unzufriedene aus Brennpunktbranchen, die sich von der Politik nicht vertreten fühlen und natürlich auch die politische Opposition, um die es in den letzten Wochen ruhig geworden ist. Träger sieht das an den Organisatoren der Demos, die zunehmend auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu beobachten sind. Ihnen gehe es vor allem darum, wieder öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen.

Träger erinnerte an rückläufige Umfragewerte wie etwa für die AfD: «Sie will sich mit ihrer Teilnahme an Demonstrationen in gewisser Weise wieder ins Gespräch bringen.» In den ersten Wochen der Corona-Krise habe sie auf die sozialen Netzwerke zurückgreifen können. «Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo man da nichts "on top" setzen und mehr Leute erreichen kann, als ohnehin in der Filterblase dieser Partei leben.» Die starke Zunahme von Demonstrationen nach wochenlangem Krisenmodus kommt für Träger nicht überraschend. «Am Anfang sind Krisen oder Herausforderungen wie eine Katastrophe oder Epidemie immer Zeiten der Exekutive. Die Regierung kann durch ihr Handeln überzeugen.»Je länger die Situation anhalte, umso umstrittener würden Maßnahmen. Über Lockerungen werde dann heftig diskutiert. «Der Druck der Bevölkerung, aber auch von Interessengruppen nimmt zu. Die Politik weiß, dass die Einschränkungen nicht ewig dauern können, weil das Folgekosten mit sich bringt, die bezahlt werden müssen», sagte Träger. Man könne nicht monatelang zehn Millionen Menschen Kurzarbeitergeld zahlen. Die Diskussion gebe es in der Politik, aber auch in Gewerkschaften oder Verbänden. «Da geht es um das Überleben ganzer Branchen wie zum Beispiel der Hotellerie.» Von dieser Stimmung versuchen nach Ansicht Trägers bestimmte Parteien oder Organisationen zu profitieren: «Aber auch für sie gilt: Es reicht nicht, nur die Trommel zu rühren. Man muss auch selber Alternativen anbieten. Aber das sehe ich bei den Kritikern der Exekutive nicht.»

Vorerst keine Entscheidung

Durch die angeheizte Debatte ruderte Jens Spahn nun zurück und erklärte, dass es vorerst keine Regelungen dazu geben soll, inwiefern ein Immunitätsnachweis Ausnahmen von Alltags-Beschränkungen ermöglichen könnte. Er hat den Ethikrat um eine Stellungnahme gebeten und in der Koalition vereinbart, bis dahin keine gesetzliche Regelung zu dieser Frage vorzunehmen.

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