Schutzanzug, Sonnenbrille, Haarnetz, Bartschutz und Schuhüberzieher: Nahezu vollvermummt geht es für die Mitarbeiter der Cannabisproduktion in Leuna in die Räumlichkeiten mit den duftenden Pflanzen.
Es gehe darum, keine Erreger oder Parasiten an die Hanfgewächse zu tragen, erklärt Axel Gille, Präsident von Aurora Europe. Das Unternehmen, Tochtergesellschaft des kanadischen Mutterkonzerns Aurora, hat im Chemiepark eine Hanfaufzucht aufgebaut und nun die ersten Ernten eingefahren.
Jährlich wolle Aurora am 3600 Quadratmeter großen Standort eine Tonne medizinisches Cannabis produzieren, sagt Gille.
Die Blüten des sogenannten Cultivar Voluptas könnten Patienten dann mit einer Verschreibung in den Apotheken beziehen. Typische Anwendungsbereiche seien unter anderem Schmerzbehandlungen, neurologische Krankheiten, Übelkeit und Appetitlosigkeit. Aktuell machten bis zu 120 000 Menschen eine Cannabis-Therapie, sagt Gille. Neben dem Vaporisieren der Blüten sei die Einnahme als Tropfen die gängigste Anwendung.
Gille sieht die Nutzung von Cannabis-Therapien in Deutschland erst am Anfang. In Kanada sei beispielsweise der Anteil der Bevölkerung, der mit medizinischem Cannabis behandelt werde, deutlich höher. Übertrage man diesen Anteil auf Deutschland, sehe er ein Wachstumspotenzial von etwa 700 000 zusätzlichen Patienten.
Aurora mit seiner Produktionsstätte im Chemiepark in Leuna ist eines von drei Unternehmen in Deutschland, die im Auftrag des Staates Cannabis herstellen. Die anderen beiden Produktionsstätten anderer Unternehmen sind in Sachsen und Schleswig-Holstein.
Die drei Unternehmen haben 2019 eine entsprechende Ausschreibung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gewonnen. Insgesamt sieht die Ausschreibung vor, dass die drei Unternehmen über vier Jahre verteilt gut zehn Tonnen herstellen. Pro Jahr macht das etwa 2,6 Tonnen. Der Bedarf an medizinischem Cannabis liegt in Deutschland laut Gille zwischen sechs bis acht Tonnen. Die Differenz wird von ausländischen Produzenten unter anderem aus Kanada und Dänemark bezogen.
Das Cannabis wird in Leuna unter streng bewachten Bedingungen in einer Indoor-Produktionsstätte hergestellt. Etwa 25 Zentimeter Stahlbeton, über 600 Sicherheitssensoren und circa 130 Kameras sichern das Gelände vor etwaigen Einbrüchen ab. 20 Mitarbeiter kümmern sich um die Aufzucht der Pflanzen, deren Blüten nach der Ernte über den Großhändler Cansativa an die Apotheken in Deutschland ausgeliefert werden.
Die Aufzucht der auch als "Sweet Island Skunk" bezeichneten Hanfsorte ist aufwendig. Zwölf Wochen dauert es vom Einpflanzen der Ableger bis zur Ernte, wie Gille erklärt. Neben der genauen Überwachung der Lichtverhältnisse und der Luftfeuchte würden Nützlinge wie Schlupfwespen eingesetzt, um die Pflanzen vor Schädlingen zu schützen. Da nur die Blüte genutzt werde, entstünden bei der Produktion ungeheure Mengen an Pflanzenresten. Der Verwurf müsse - weil Hanf als Betäubungsmittel gilt - unter Zeugen in der Müllverbrennung vernichtet werden. Zur Ernte trage jede Pflanze nur etwa 40 Gramm der für den Verkauf bestimmten trockenen Blüten.
Die Aurora Deutschland GmbH mit Hauptsitz in Berlin ist ein zugelassener Pharmagroßhändler mit Herstellerlaubnis für sogenanntes Medizinal-Cannabis. Das Unternehmen ist Teil der Aurora Europe GmbH, die ihrerseits eine Tochtergesellschaft des börsennotierten kanadischen Cannabis-Herstellers Aurora Cannabis Inc. mit Hauptsitz in Edmonton ist.