Die Polarstern liegt bei einer ihrer Reisen in der Antarktis an einer Eiskante

Ein Jahr im ewigen Eis

Forschungsschiff "Polarstern" legt ab

Das deutsche Forschungsschiff «Polarstern» legt am Freitag (20. September 2019) in Tromsø in Norwegen ab, um ein Jahr in der zentralen Arktis zu verbringen. Eine Expedition der Superlative.

In der Arktis lassen sich die Forscher quasi einfrieren – ein Jahr lang wird das Schiff angedockt an einer Eisscholle durch’s Nordpolarmeer driften. Das Eis ist im Winter dort so dick, dass auch kein Eisbrecher durchkommt. Deswegen bricht die Expedition jetzt schon auf und lässt sich vom Wind in den Winter hineintreiben.

Fast 1.000 Wissenschaftler aus 19 Ländern sind auch an Land daran beteiligt. 100 Wissenschaftler sind gleichzeitig an Bord.Sie werden messen, was es zu messen gibt. Denn die Arktis gilt als Wetterküche für’s Klima, als Frühwarnsystem– gleichzeitig ist sie aber kaum erforscht, sagt Expeditionsleiter Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut. Wenn er wiederkommt, will er das Klima besser vorhersagen als es im Moment möglich ist.

«Eine Arktis-Expedition in dieser Größenordnung hat es noch nie gegeben», so Rex. 140 Millionen Euro kostet das Projekt.

Nachschub kommt alle zwei Monate

Versorgt wird die «Polarstern» von vier weiteren Eisbrechern, mindestensdrei Flugzeugen und Helikoptern.Alle zwei Monate sind Lieferungen geplant. Die Herausforderung ist die Landebahn. Die Eisscholle muss über 1.000 Meter lang und mindestens 1,20 Meterdick sein. Nur dann können Treibstoff und Lebensmittel geliefert werden. Übrigens werden so auch die Wissenschaftler ausgetauscht. Niemand ist ununterbrochen an Bord.

Anfang Januar wird Rex von Bord gehen - um im April wiederzukommen. Er wird insgesamt neun Monate auf der «Polarstern» sein.

Auch medizinische Notfälle können eintreten. Ein Chirurg begleitet die Expedition, ein OP-Raum befindet sich an Bord. Der Arzt muss Brüche, Herzinfarkte oder Verbrennungen gleichermaßen versorgen können. Denn bis es möglich ist, einen Patienten von Bord zu bringen, kann es Wochen dauern.«Aber selbst im allerbesten Fall sind es vier Tage, bis er im Krankenhaus ist», sagt Rex.

Der Koch sorgt für gute Laune

Mit Extremen kennt sich Sven Schnieder aus. Der 52 Jahre alte Koch aus Langen bei Bremerhaven hat schon 14 Monatein der Antarktis in der Küche der Neumayer-Station III gearbeitet. Auch mit dem Forschungsschiff«Polarstern» war er schon im Südpolarmeer unterwegs und hat die Crew mit Schnitzel oder Lamm gestärkt. Auch bei der «Mosaic»-Expedition in der Arktis ist er dabei.

«Man muss Lust darauf haben, auch auf die Kälte», sagt der Koch. Und die hat er:«Der Job ist interessanter als jeder andere, den ich bisher machen durfte.» Schnieder hat schon auf einem Kreuzfahrtschiff angeheuert, in einem Bremer Hotel gekocht, bei einem Caterer in Bremerhaven, in einem Kult-Restaurant auf Sylt sowie in der Schweiz.

Tonnenweise Lebensmittel

Hinter ihm liegen Wochen der Planung: 14 000 Eier, 1400 Liter Milch, eine Tonne Kartoffeln und 150 Gläser Nuss-Nougat-Creme hat er bereits eingelagert - um nur ein paar Dinge zu nennen: «Wir haben knapp 1500 Einzelartikel vom Gewürz bis zum Quark an Bord.» Alles, was bis zum«Mosaic»-Start von der aktuellen Crew verzehrt wird, muss er in Tromsø neu anliefern lassen.

Auf dem Schiff sind auch zwei volle Notfallcontainer.«Mit dem Inhalt kann die Mannschaft zwei Monate überleben, falls der Nachschub ausbleibt», sagt Schnieder. Denn die Planung sieht vor, dass die«Polarstern» in der zentralen Arktis alle zwei Monate von einem Eisbrecher oder einem Flugzeug versorgt wird. Sollte das einmal nicht klappen, muss Schnieder auf die Reserven zurückgreifen. «Wir werden nicht verhungern», versichert er.

Essen gegen die Dunkelheit

Die größte Herausforderung für ihn ist eine andere:«Ich muss die Leute in der Dunkelheit bei Laune halten.» Denn ab Ende Oktober wird es für Monate dunkel sein. Da sei es gut, dass ihn in der Küche ein Bäcker unterstütze und täglich Brötchen und Kuchen backe.«Die Leute wollen Kohlenhydrate.»

Sven Schnieder plant, rund zehn Monate auf dem Schiff zu sein. Zweimal wird er zwischendurch für ein paar Wochen von Bord gehen, das erste Mal Ende des Jahres. Dann wird er mit dem Eisbrecher, der neuen Proviant bringt, zurück nach Norwegen fahren. Da nicht gesichert ist, dass das Versorgungsschiff vor Weihnachten ankommen wird, wollte Schnieder eigentlich Spekulatius und Dominosteine einlagern.«Die habe ich aber im August nicht bekommen», sagt der Koch betrübt. Denn ihm ist es wichtig, dass sich die Crew wohlfühlt.«Keiner soll etwas vermissen», sagt er. Deshalb nimmt er auch Wünsche entgegen:«Hoch im Kurs steht Hausmannskost, die zu Hause gar nicht gegessen wird: Eisbein zum Beispiel.»

Auch die Grillabende auf dem Arbeitsdeck seien immer beliebt.«Das kann sich am Anfang keiner vorstellen: bei bis zu minus 45 Grad draußen zu grillen», sagt Schnieder. Mit der entsprechenden Kleidung sei das aber kein Problem. Jeder lege sich selbst das auf den Grill, was er essen möchte: Fleisch, vegetarische Würstchen oder Ananas. «Das macht allen Spaß», sagt Schnieder.

Jeden Sonntag trifft sich der Wiegeclub

Auch etwas anderes hat er bei seinen bisherigen Expeditionen im Eis beobachtet:«Die ersten zwei Wochen halten sich die Leute noch an die normalen Essenszeiten. Dann gewöhnen sie sich daran, dass rund um die Uhr was Leckeres rumsteht.» Die meisten Kollegen gingen mit mehr Gewicht von Bord als sie gekommen seien. Um dem entgegenzuwirken, gebe es auf der «Polarstern» eine Tradition: Jeden Sonntag trifft sich der «Wiegeclub» im «Blauen Salon», um die Kilos auf der Waage zu kontrollieren. Wer Pfunde loswerden will, kann sich an Bord im Schwimmbad oder Fitnessraum verausgaben. «Der wurde extra noch mal aufgerüstet», sagt Schnieder.

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