Glasbecher für eine Schwimmdochtkerze

Die Ausgrabungen des Jahres 2020

Knochenreste im Grab einer Schamanin, Gewandspangen oder eisenzeitliche Urnen: In Sachsen-Anhalt sind 2020 zahlreiche archäologische Schätze entdeckt worden. «Die Zahl der Grabungen stieg mit 600 gegenüber 2019 sogar leicht um 50 an», sagte Landesarchäologe Harald Meller der Deutschen Presse-Agentur in Halle. Grund sei die starke Bautätigkeit, in deren Vorfeld meist der Boden untersucht werde. «Der Überraschungsfund des Jahres war ein rund 1.500 Jahre altes Gräberfeld aus der Völkerwanderungszeit. Das haben wir nicht erwartet», sagte Meller.

Im Mansfelder Land wurde nahe der Ortschaft Brücken-Hackpfüffel ein unberührtes, rund 1.500 Jahre altes Gräberfeld entdeckt. Aufgrund einzigartig reicher Grabbeigaben vermuten die Archäologen, dass hier in der Zeit der Völkerwanderung von 480 bis 530 ein «Adelssitz» stand. Das Besondere: In etlichen der 60 Gräber lagen komplette, unbeschädigte und verzierte Glasgefäße, unter anderem ein mit geschwungenen Rillen verzierter Spitzbecher, der als Schwimmdochtlampe verwendet wurde. Ebenso gläserne Schüsseln, etliche silbervergoldete Gewandspangen, ein Schwert und ein Schildbuckel aus Eisen. Aufgrund diese Funde von Trachtbestandteilen gehen die Experten davon aus, dass hier Langobarden, Alemannen und Thüringer bestattet wurden. Auch eine Münze von 480 des oströmischen Kaisers Flavius Zeno (gestorben 9. April 491) lag in einem der Gräber. «Die einzigartigen Funde lassen darauf schließen, dass hier höhergestellte Persönlichkeiten beerdigt wurden», sagte Projektleiterin und Archäologin Susanne Friederich vom Landesmuseum Halle.

Ein wichtiges Grabungsprojekt war in der Nähe der Kreisgrabenanlagen Schönebeck und Pömmelte im Salzlandkreis bei Magdeburg. «Hier wurde ein älterer Vorgängerbau, eine quadratische Grabenstruktur mit ungefähr 11 Metern Seitenlänge, etwa 4800 bis 4500 Jahre alt, entdeckt», sagte die Projektleiterin der Universität Halle, Franziska Knoll. «Es gibt zwei Einlässe, die in etwa zur Winter- und Sommersonnwende ausgerichtet sind.» Zudem fanden die Forscher südöstlich des Ringheiligtums Pömmelte einen einst monumentalen, trapezförmigen Grabbau mit Zentralbestattung, etwa 6000 bis 5400 Jahre alt. Bei den aktuellen Grabungen in Schönebeck kamen auch mehrere 3.500 bis 3.000 Jahre alte mittel- bis spätbronzezeitliche Grabhügel sowie ein ausgedehntes eisenzeitliches Urnengräberfeld mit 80 Urnen, etwa 2750 bis 2450 Jahre alt, zum Vorschein. Die rekonstruierte Anlage bei Pömmelte hat einen Durchmesser von 115 Metern und ist von einem Palisadenzaun aus 1800 Robinienstämmen umgeben. Die nahe gelegene Ausgrabungsstätte bei Schönebeck ist mit einem Durchmesser von etwa 80 Metern etwas kleiner.

Mit einem Tauchroboter und hochauflösendem 3D-Laser wurden im Mai am Grund des Süßen Sees bei Halle eine bronzezeitliche Grabanlage und die Reste einer mittelalterlichen Siedlung vermessen. Erstmals deutschlandweit kam dabei nach Auskunft von Unterwasserarchäologe und Grabungsleiter Sven Thomas in der Archäologie ein spezieller 3D-Unterwasserlaser zum Einsatz. Im Mittelpunkt standen eine über 3000 Jahre alte bronzezeitliche Grabanlage und die Reste einer mittelalterlichen Siedlung aus dem 11. bis 15. Jahrhundert. Der 250 Hektar große Süße See liegt etwa 20 Kilometer westlich von Halle.

Bei Grabungen im Botanischen Garten in Halle wurden die Reste der einstigen Kirche des Augustinerchorherren-Stiftes Kloster Neuwerk entdeckt. «Es sind zweifelsfrei die letzten verbliebenen Spuren der Kirche des Klosters Neuwerk», sagte Projektleiterin Caroline Schulz. Bislang war der Standort unbekannt und wurde näher an der Saale vermutet. Das Augustinerstift auf dem Bergsporn oberhalb der Saale in Halle wurde 1116 gegründet, die Kirche 1124 geweiht. Bis zur Auflösung in der Reformationszeit war es das mächtigste Kloster im Süden des Erzbistums Magdeburg.

Bei Nachgrabungen im Kurpark in Bad Dürrenberg (Saalekreis) konnte erstmals die genaue Fundstelle des 1934 geborgenen, rund 8.500 Jahre alten Grabes einer Schamanin ermittelt werden. Gefunden wurden Knochenreste, Rötelpulverspuren und Steinabschläge. Rötel war in der mittleren Steinzeit eine Opferfarbe.

Im nächsten Jahr werde weiter im Umfeld von Pömmelte gegraben, sagte die Projektleiterin der Universität Halle, Franziska Knoll. Die Landesausstellung anlässlich 20 Jahre Sicherstellung der Himmelsscheibe von Nebra ist nach den Worten von Landesarchäologe Meller 2021 ein absoluter Schwerpunkt. Die Schau wird vom 4. Juni 2021 bis zum 9. Januar 2022 zu sehen sein.

Ebenso solle 2021 die Dauerausstellung nach rund 18 Jahren vervollständigt werden. Geplant sind noch drei Räume mit den Zeitepochen frühes und hohes Mittelalter sowie frühe Neuzeit.Die Zeitschiene endet um 1.560 mit der Präsentation der Alchimistenwerkstatt aus Wittenberg. Im langjährigen Schnitt kommen nach Angaben Mellers pro Jahr rund 100.000 Besucher in das Landesmuseum, diesmal waren es pandemiebedingt rund 40.000 Besucher.

Seite teilen