Blaugrün schimmert das Glas von außen. Der Neubau beeindruckt aber vor allem in seinem Innern. Weit geht der Blick in den 1000 Quadratmeter großen, hellen Raum im Erdgeschoss. Beim Blick nach oben dann plötzlich die Überraschung: In dem 125 Meter langen Gebäude, über den Köpfen der Besucher, «schwebt» ein schwarzer, begehbarer Balken aus Beton. 50 Meter in der Spannweite. Diese «Black Box», wie das Obergeschoss genannt wird, ist das Herz des künftigen Dessauer Bauhaus Museums. Noch bevor das im September öffnet, wird am Samstag, den 23. Februar 2019 das Jubiläum «100 Jahre Bauhaus 2019» in Dessau-Roßlau eingeläutet.
Unter dem Motto «Reif fürs Museum?» öffnet sich das Haus für erste Besucher - mit Performances aus Tanz, Musik sowie Text- und Filmbeiträgen. Dem folge in diesem Jahr ein «Festivalreigen», sagt Claudia Perren, Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau. Die Themen des Jubiläumsprogramms beziehen sich demnach auf die Bauhausideen von neuem Denken, Lehren, Entwerfen, Bauen und Wohnen - und beinhalten Aktionen und eine Konferenz. Höhepunkt soll die Eröffnung des 28 Millionen Euro teuren Dessauer Bauhaus Museums werden.
Auch in Weimar und in Berlin entstehen derzeit Bauhaus-Museen. Rund 500 Veranstaltungen sind nach Angaben der Organisatoren anlässlich des Gründungsjubiläums der weltberühmten Architektur-, Kunst- und Designschmiede, die 1933 auf Druck der Nazis geschlossen wurde, in ganz Deutschland geplant.
In Dessau-Roßlau werde ab September dieses Jahres mit dem Museumsneubau erstmals die einzigartige Sammlung unter dem Titel «Versuchsstätte Bauhaus» umfassend präsentiert werden können, sagt Perren als sie mit Schutzhelm und in Sicherheitsschuhen die Glastür zu dem Rohbau öffnet. Das Jubiläumsprogramm soll zugleich ein Vorgeschmack sein, auf das, was das Museum künftig sein will: transparent, mit offener Bühne und bereit für Neues, wie es die Bauhäusler einst waren. Von deren Aufbruchsstimmung zeugen in der Stadt bis heute Originalbauten und Prototypen an Originalschauplätzen ihrer Entstehung - in einer Dichte, wie kaum anderswo auf der Welt, so die Architektin.
Das Dessauer Bauhausgebäude aus dem Jahre 1925/26 mit der markanten Glasfassade, Wohnsiedlungen und -häuser, das Arbeitsamt und das Kornhaus als Ausflugslokal an der Elbe gehören dazu. Bauhausbauten zählen heute auch in Weimar und Berlin sowie in Tel Aviv zum Unesco-Welterbe. In Dessau habe die Schule indes ihre Blütezeit erlebt, betont Perren. Alle drei Bauhausdirektoren - Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe - waren hier. Bauhaus-Meister und Studierende wie László Moholy-Nagy und Marianne Brandt, Paul Klee und Gunta Stölzl oder die Maler Lyonel Feininger und Wassily Kandinsky lebten in der Stadt, wo auch legendäre Feste am Bauhaus gefeiert wurden.
Doch bevor die rund 49 000 katalogisierten Exponate der nach Museumsangaben weltweit zweitgrößten Bauhaussammlung in dem Dessauer Neubau in wechselnden Ausstellungen gezeigt werden können, sei noch allerhand zu tun, sagt Frank Assmann. Der Leiter der Bauabteilung der Stiftung zeigt dabei auf das Baufeld zwischen Stadtpark und Rathaus.
Die «Vitrine», eine Konstruktion aus Glas und Stahl, die äußere Hülle und Hingucker des Museums sein soll, sowie Technik, Licht und Mobiliar im Innern gelte es sorgsam zu bauen und zu installieren. Im «schwebenden Balken» etwa dürfe kein Tageslicht auf die empfindlichen Originale und Exponate wie Zeichnungen und Fotografien aus der Entstehungszeit zwischen 1925 und 1932 fallen. Durch Sonnenstrahlen könnten diese Schaden nehmen, erklärt die Direktorin.
Einwohner beobachten derweil genau, was auf dem künftigen Mies-van-der-Rohe Platz 1 vor sich geht. «Noch ist erstmal viel Glas zu sehen, wie anderswo auch auf Baustellen», sagt ein Mittfünfziger etwas skeptisch als er aus dem gegenüberliegenden Rathaus-Center vom Einkaufen kommt. «Wir lassen uns überraschen», heißt es auch unter Passanten. Der Entwurf des Architekturbüros addenda architects (González Hinz Zabala) aus Barcelona für das Museum hatte sich in einem offenen internationalen Wettbewerb 2015 unter 831 Einreichungen durchgesetzt, etwa gegen ein zwiebelförmig-futuristisches Modell aus den USA.
Für die Eröffnungsschau (ab 8. September) sollen zunächst rund 1000 Exponate aus der Dessauer Bauhaus-Sammlung aus dem Depot geholt werden. «Darunter sind Handzeichnungen, Entwürfe, wie sie von Bauhauslehrern und ihren Schülern gefertigt wurden», sagt Perren. «Und Möbel in allen Variationen.» Auf die bis heute als Klassiker der Moderne begehrten Stahlrohrmöbel wie die Freischwingerstühle von Marcel Breuer können sich Besucher aber zumindest zum jetzigen Start des Dessauer Bauhausjubiläums noch nicht freuen.
Vielmehr heißt es: Schauen im Rohbau. Stolz über das bisher wie geplant Erreichte sind auch die Bauleute. Sie haben allein 600 Tonnen Stahl für die «Black Box» und Tausende Quadratmeter Glas in Präzisionsarbeit aneinander gefügt. «Ich habe das Gefühl, das Haus ist in Dessau schon angekommen», sagt Assmann. Für die regelmäßigen Baustellenführungen waren die Plätze stets ausgebucht - lange im Voraus.