Johannes Lind

Der Facebook-Cop

Polizeichef postet seit Jahren Arbeitsalltag

Als erster Polizist hat sich Johannes Lind auf Twitter, Facebook und später Instagram vorgewagt, um von seinem Arbeitsalltag zu berichten.

"Ich möchte, dass meine 220 000 Bürgerinnen und Bürger - meine in Anführungszeichen - möglichst viel wissen von der Polizei und möglichst viele persönliche Kontakte haben zu Beamten und auch zu mir", sagt der 61 Jahre alte Leiter der Inspektion Leer/Emden nach rund fünf Jahren und Tausenden Posts und Tweets. Etwa zehn Beiträge pro Tag setze er im Schnitt ab, darunter vor allem Videos.

Gut 7000 Menschen verfolgen seine Aktivitäten auf Facebook. "Wenn jetzt etwas passiert und du musst dieLeuteerreichen, dann kannst du sie erreichen", sagt Lind. Als Anfang des Jahres Dutzende Beutel Rattengift in Emden auftauchten, aktivierte er die Handykamera und warnte die Menschen. "Ich bin dann auch mal nervös und meine Sachen sind auch nicht perfekt - das muss auch gar nicht. Der Leitsatz für mich: Authentizität vor Professionalität." So musste der Polizeidirektor etwa erst lernen, beim Sprechen direkt in die Handykamera zu schauen und nicht auf den Bildschirm darunter.

Vor dem "Du" schreckt Lind in seinen Ansprachen nicht zurück, ebenso wenig vor Emotionen. Zum Beispiel "als wieder falsche Polizisten in der Region alte Damen um 50 000 Euro betrogen haben und ich natürlich wütend bin auf diese Verbrecher!" Spontan wendet er sich in einem Video an Enkel: "Bitte liebe jungeLeute, die ihr Facebook und Twitter und Instagram guckt, warnt eure Omas und Opas", erzählt er. "250 000 wurden erreicht. Das versuchen Sie mal als Lokalzeitung."

So stellt sich das Niedersächsische Innenministerium das sogenannte digitale Community Policing vor. Vorbilder seien die Niederlande und England, wo seit 2013 Polizistinnen und Polizisten ihre Gemeinde (englisch: community) über personifizierte Accounts ansprechen. Mittlerweile sind in Niedersachsen 21 sogenannte Community Officer aktiv. Fotos und Videos liegen in erster Linie in deren eigener Verantwortung, behördliche Sprache soll die Ausnahme sein.

In anderen Bundeländern ist man bei dem Thema verhaltener. Neben zahlreichen Accounts von Polizeibehörden gibt es sonst nur in Rheinland-Pfalz einen personalisierten Instagram-Account eines Polizisten. Seit 2018 zeigt der "Insta-Cop", wie die Polizisten umgangssprachlich auch genannt werden, seinen Alltag auf Streife in Kaiserslautern. Woanders gibt es Bedenken. Ein Sprecher des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen erklärt etwa, dass Inhalte dann vor der Veröffentlichung abgestimmt werden müssten.

In Niedersachsen ist das explizit nicht gewünscht - es soll dem Innenministerium zufolge authentische Einblicke geben. «Es hat zu keiner Zeit, zu keiner Sekunde auch nur den Hauch einer Kritik gegeben», sagt Polizeidirektor Lind. "Hätte es die gegeben, in der Sekunde hätte ich gesagt: Abgeschaltet. Das hätte ich mir nicht bieten lassen, das ist mein Account."

Auf dem Account schreiben manche Hilfesuchenden Lind direkt an, statt wie empfohlen die Notfallnummer 110 zu wählen. Er erinnert sich an eine verzweifelte 16-Jährige, die mit einem Sexvideo erpresst wurde: "Sie suchte sich eine Person raus und das war ich ausnahmsweise als Polizeichef. Sie wollte einen konkreten Ansprechpartner." Auch im Urlaub kontrolliert Lind seine Accounts, damit ihm keine Nachricht entgeht. 90 Prozent seiner Arbeit als Community Officer falle in die Freizeit.

Ende des Monats ist daher Schluss mit Linds Polizei-Kanälen. Es ist ein Schritt, um den Weg zum Ruhestand in einem Jahr zu ebnen. Von seinenFans bekomme ihn dazu viele Nachrichten: Schade, dass er aufhöre. Oder: Danke für die lustigen Beiträge.

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