Corona in Sachsen-Anhalt

Ausreichend Intensivbetten und Beatmungsgeräte vorhanden

Der Lungenfacharzt Wolfgang Schütte aus Halle hat vor Panik in der Corona-Pandemie gewarnt. «Vom Prinzip her reicht der Bestand an Intensivbetten und Beatmungsgeräten momentan aus», sagte der Präsident der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt. Das Problem sei eher, um die Betten belegen zu können, sei es nötig, jederzeit entsprechend viele Ärzte, Pflegekräfte und Techniker vor Ort zu haben. Dies sei angesichts steigender Infektionszahlen nicht unproblematisch, aber machbar, sagte der Professor.

Schütte zufolge muss niemand befürchten, wegen der Corona-Pandemie nicht behandelt zu werden. Notfälle wie auch Menschen mit Krebserkrankungen würden jederzeit operiert. «Aber, auch wenn es schmerzhaft ist, müssen langfristig geplante Operationen wie für ein Kniegelenk in der Orthopädie mitunter verschoben werden», sagte er. Denn das medizinisch-technische Personal sei auch aus diesen Bereichen der Medizin für den Einsatz auf einer Intensivstation zur Behandlung von Covid-19-Patienten vorbereitet und geschult worden. «Da ist seit dem Frühjahr viel passiert», sagte er.

Im März war in Sachsen-Anhalt die Corona-Pandemie mit nachgewiesenen Infektionen angekommen. Landesweit haben sich seither gut 7000 Menschen mit dem Virus Sars-Cov-2 infiziert, etwa 4400 gelten als genesen, mehr als 90 Menschen sind im Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion gestorben.

Der Lungenfacharzt sieht angesichts der Erkrankung, wogegen es noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt, die «Querdenker»-Bewegung kritisch. «Es gibt das Coronavirus, es gibt die Pandemie und sie ist kein Spaß», sagte Schütte. «Ich habe es selber erlebt, wie aus einem gesunden, fitten Mann ein Schwerkranker wurde. Es begann mit einem harmlosen Hüsteln», sagte Schütte. Die Pandemie werde noch längere Zeit bleiben. Deshalb gelte es sich darauf einzustellen, dass Abstands- und Hygieneregeln auf Dauer den Alltag bestimmen werden.

Hilfsorganisationen: Corona verschärft die Armut in Sachsen-Anhalt

Die Corona-Pandemie verschärft in Sachsen-Anhalt Armut und Obdachlosigkeit. «Armut nimmt zu, weil der Hartz-Regelsatz gleich geblieben ist, vieles hat sich verteuert und billige Sachen sind kaum noch zu haben», sagte der Referent für Soziales bei der Diakonie Mitteldeutschland (Halle), Steffen Mikolajczyk. «Als Folge der Pandemie kommen viele Menschen zur Bahnhofsmission die früher nie da waren, zum Beispiel junge Familien.»

Für die Menschen, die plötzlich an der Grenze zur Armut leben, werde es enger. «Solo-Selbstständige, Discobetreiber und Gastwirte werden versuchen, jetzt erst mal so durchzukommen und von ihren Rücklagen zu leben», sagte Mikolajczyk. «Aber irgendwann, wenn sie es jetzt nicht schon sind, geraten sie in die Schuldenfalle und werden in den Beratungsstellen auftauchen.»

Es werde damit gerechnet, dass die Nachfrage nach Beratungen zum Bereich der privaten Schuldner-Insolvenz ab dem nächsten Jahr steige. Die Diakonie Mitteldeutschland sei mit dem Land im Gespräch, damit die Schuldnerberatungsstellen weiter genug Geld haben und geöffnet bleiben.

Auch bei der Betreuung von Obdachlosen müssen sich die Städte und Gemeinden auf die Pandemie einstellen. Magdeburg habe umfangreiche Sicherheitsregeln eingeführt, sagte Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra. Dazu zählten eine Maskenpflicht in den Einrichtungen und Tests für Bewohner, die länger als zehn Tage nicht in der Einrichtung waren.

Getestete Menschen könnten einzeln untergebracht werden, bis die Testergebnisse vorlägen. Für positiv auf Corona Getestete und Menschen mit Quarantäneauflagen gebe es Quarantänewohnungen. Die Hauptstadt hält den Angaben nach in sozialen Wohneinrichtungen 88 Schlafplätze für Wohnungslose bereit. «Diese werden voraussichtlich den Bedarf decken», sagte Kinszorra. «Zusätzlich wurden im ersten Halbjahr 2020 drei weitere Objekte in Betrieb genommen, die nun auch die Unterbringung von obdachlosen Menschen mit Haustieren ermöglichen.»

Doch auch jenseits der Ballungszentren verschärft die Krise die Armut vieler Menschen. «Die Hauptsorgen der Menschen, die zu uns kommen, sind: Wie geht es weiter, wie sieht es in der Zukunft aus, wann endet diese Pandemie?», sagte Andreas Gottschalt aus Halberstadt. Er gründete die Initiative «GastroHilft», die Lebensmittel aus Supermärkten einsammelt und an Obdachlosen-Einrichtungen verteilt.

«Wir retten Lebensmittel aus mittlerweile fünf verschiedenen Supermärkten in der Region und beliefern jeden Tag die örtliche Obdachlosenunterkunft mit einer täglichen warmen Mahlzeit», sagte Gottschalt. Derzeit werden etwa 25 bis 30 Menschen täglich mit Essen versorgt.

Willkomen als Spenden seien Nudeln, Konserven, Kartoffeln, Mehl, Zucker, Backpulver und Hefe. Unterstützung komme auch aus der Gastronomie und privaten Helfern. Neben zahlreichen privaten Spenden wurde das Engagement vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung mit 7545 Euro unterstützt. Das Geld sei in eine gastronomische Küche im soziokulturellen Zentrum investiert worden.

Eigentlich sei das Hauptanliegen von «GastroHilft», Lebensmittel zu retten. Die Unterstützung von bedürftigen Menschen kam dazu. «Wir merken, dass immer mehr Menschen aus Privathaushalten zu uns kommen», sagte Gottschalt. Es gebe derzeit rund 25 Helfer, die sich regelmäßig engagieren. Diese kochen, übernehmen Fahrten und gehen einkaufen. Damit werde etwa 150 bis 200 Menschen geholfen.

In Zerbst hingegen spürt man nichts von einer erhöhten Nachfrage auf die Hilfsangebote - die dortige Obdachlosenunterkunft soll Ende des Jahres sogar schließen. «Wir müssen schließen, weil es sich einfach nicht gerechnet hat», sagte Nicole Ettlich von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Wittenberg. «Es gibt vier Schlafplätze und eine Kleiderkammer. Zerbst liegt im ländlichen Raum und da haben die Menschen wohl andere Möglichkeiten.»

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