Eine rote Ampel ist vor dem im Januar 2020 geschlossenen Webasto-Standort zu sehen

Corona: Der Patient Null

Vor einem Jahr wurde das Virus erstmals ausgemacht

Der damals 33-jährige Mitarbeiter der Firma Webasto hatte am24. Januar 2020 Halsschmerzen, fröstelte und hatte Muskelschmerzen.Einen Tag später folgten Husten und 39,1 Grad Fieber. Am Abend des 26. Januars fühlte er sich besser und kehrte am Montag, den 27. Januar zur Arbeit zurück, bevor der Erreger bei ihm nachgewiesen wurde. Er war am gleichen Tag sicherheitshalber noch zum Münchner Tropeninstitut gefahren, um testen zu lassen - denn am 27. erfuhr die Firma, dass eine chinesische Kollegin positiv getestet worden war.

Die Leiterin der Ambulanz für Tropen- und Reisemedizin an der Universität München Camilla Rothe bekam am Abend des 27. Januars das Ergebnis auf den Tisch: der junge Mann war mit dem neuartigen Virus infiziert. Ein Team von Medizinern, darunter auch Coronavirus-Experte Christian Drosten von der Berliner Charité, untersuchte den Fall eingehend: Angesteckt hatte der junge Mann sich bei einerFrau aus Schanghai - weit weg also von Wuhan, das damals als Epizentrum der Infektionen bekannt wurde. Sie war bei demAutomobilzulieferer in Bayern vom 19. bis 22. Januar zu Gast und nahm an Firmentreffen teil. Eine spätere Befragung der Frau ergab, dass sie sich am 20. Januar ein wenig warm fühlte, aber nicht fiebrig. Um am nächsten Tag fit zu sein, habe sie eine Tablette genommen. Am 21. war sie demnach nachmittags müde und hatte auf Druck leichte Muskelschmerzen. Am Tag ihres Abflugs fröstelte sie etwas in ihrer leichten Geschäftskleidung, bis sie einen Schal anzog.Erst am Abend des 23. Januars fühlte sie sich wirklich krank, und hatte eine Temperatur von etwa 38 Grad, die bis zum Abend des Folgetags auf 38,7 Grad stieg. Dann wurde sie am 26. Januar positiv auf den Erreger getestet. Am 27. informierte sie das Unternehmen in Bayern über ihre Erkrankung, worauf ihre Kontakte überprüft wurden - auch in Bayern.Am 28. Januar wurden drei weitere Mitarbeiter der Firma positiv getestet - aber nur einer von ihnen hatte Kontakt zu der Chinesin gehabt. Die anderen beiden Angestellten hätten sich bei dem 33-Jährigen infiziert.Zudem sei bei dem 33-Jährigen Erbgut der Coronaviren nachgewiesen worden, als dieser sich schon wieder gesund fühlte.

CamillaRothe und ihre Kollegen schrieben über ihre Untersuchungen im«New England Journal of Medicine» und wiesen auf zwei Besonderheiten des Virus' hin: Zum einen habe die chinesische Mitarbeiterin, die den Ausbruch verursachte, zu jener Zeit allenfalls unspezifische Symptome verspürt. Zum anderen bestehe die Möglichkeit, dass Menschen auch nach ihrer Genesung noch infektiös sein könnten. "Die Tatsache, dass Personen ohne Symptome mögliche Quellen der 2019-nCoV-Infektion waren, kann eine Neueinschätzung der Übertragungsdynamik des derzeitigen Ausbruchs rechtfertigen", schrieb das Team. "In diesem Zusammenhang bereitet der Nachweis von 2019-nCoV und eine hohe Virenlast im Sputum bei einem genesenen Patienten Sorge über eine Verbreitung von 2019-nCoV nach der Besserung."Die Funktionsfähigkeit der nachgewiesenen Viren müsse jedoch noch im Labor gezeigt werden, hieß es damals. Die Forscher berichteten, dass die vier in der Studie beschriebenen deutschen Patienten lediglich eine leichte Symptomatik hatten. Sie seien nur aus Sorge um die öffentliche Gesundheit in Krankenhäusern behandelt worden.

So fing alles an. Niemand hat damals erwartet, dass alles so kommt, wie es gekommen ist.

Seite teilen