Weniger Vogelzwitschern am Morgen, kaum noch Schmetterlinge im Garten - die Artenvielfalt in Sachsen-Anhalt ist bedroht. Auf den neu veröffentlichten Roten Listen zeigt sich das ganze Ausmaß.
In Sachsen-Anhalt sind mehr als ein Drittel aller Arten von Tieren, Pflanzen, Algen und Pilzen gefährdet. Das geht aus den neu aufgelegten Roten Listen des Landesamts für Umweltschutz in Halle hervor.In dem am Montag veröffentlichten, etwa 900 Seiten umfassenden Verzeichnis wurden knapp 21 500 Spezies bewertet. Sie wurden in verschiedene Kategorien - von ausgestorben bis auf der Vorwarnliste stehend - eingeteilt. Zuletzt wurden den Angaben nach im Jahr 2004 Rote Listen im Land zusammengestellt. Damals wurden rund 17 400 Arten bewertet. Davon galten 37,8 Prozent als gefährdet.
«Die Artenvielfalt in Sachsen-Anhalt ist nach wie vor bedroht», sagte Landesumweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) bei der Vorstellung des Sammelbands in Halle.Unter anderem gefährdeten invasive Arten die heimischen Spezies, und Chemikalien wie Glyphosat belasteten die Umwelt. Die Roten Listen seien eine Bestandsaufnahme und ein Arbeitsauftrag zugleich. Sobald Arten bedroht seien, müsse auch etwas getan werden, «um die Artenvielfalt zu schützen», sagte Dalbert.
Seit den zuletzt 2004 veröffentlichten Roten Listen in Sachsen-Anhalt gelten den Angaben nach aktuell mehr als 1200 Arten als ausgestorben oder verschollen - darunter das fasanenartige Birkhuhn und die Wasserpflanze Froschkraut. Drastisch verschlechtert habe sich vor allem die Situation für Arten, die unter der Landwirtschaft litten, sagte Daniel Rolke vom Landesamt für Umweltschutz. Dazu gehörten etwa der vom Aussterben bedrohte Feldhamster oder die gefährdete Feldlerche. «Auch die Kreuzotter könnten wir in nächster Zeit verlieren», so der Experte.
Als gefährdet gelten den Angaben nach Arten, die über einen längeren Zeitraum verschollen - quasi ausgestorben - sind, extrem selten vorkommen, vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet sind - oder in den kommenden zehn Jahren stark gefährdet sein werden. Von Arten auf der Vorwarnliste sei die Rede, wenn die Spezies aktuell noch nicht gefährdet seien, aber zu befürchten sei, dass die Bestände weiter zurückgehen würden, hieß es.
In den meisten Fällen sei die Bedrohung der Arten menschengemacht - etwa durch die Effekte des Klimawandels oder die Umgestaltung von Landschaften, sagte Rolke. Laut den neuen Roten Listen sind 11 Prozent aller Säugetiere in Sachsen-Anhalt vom Aussterben bedroht, 8 Prozent der Schmetterlinge bereits ausgestorben. Zudem seien 43 Prozent aller Biotoptypen und 55 Prozent der Flechten-, Moos- und Pflanzengesellschaften bedroht.
Doch es gebe auch einige positive Nachrichten, so der Experte. Unter anderem sei durch den gezielten Artenschutz die Population von Tieren wie der Wildkatze und des Fischotters wieder gestiegen. In Sachsen-Anhalt gebe es zahlreiche Pläne, um sowohl einzelne Arten als auch Flächen zu schützen, betonte Dalbert. Dazu gehörten das Schutzgebiet Grünes Band entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze oder das Rotmilanzentrum in Halberstadt.
An der aktuellen Ausgabe der Roten Listen mit 77 Kapiteln beteiligten sich den Angaben nach rund 410 ehrenamtliche und hauptberufliche Fachleute. Der Sammelband soll zeitnah online gestellt werden.