Magdeburg, Dessau, Wittenberg oder Stendal - so unterschiedlich diese Städte auch sind, eines haben sie gemeinsam: Dort wird Bier gebraut. Die Stadt Halle hingegen hat seit der Wende, abgesehen von einigen Wirtshausbrauereien, kein eigenes Bier mehr. In diesem Frühjahr soll sich die Jahrhunderte alte Brautradition aber fortsetzen. Auf dem Gelände des Vereins Lebenshilfe, der sich um geistig behinderte Menschen kümmert, entsteht eine Brauerei.
"Das Projekt bietet 12 Menschen einen Arbeitsplatz", sagt Lebenshilfe-Geschäftsführerin Martina Staude über die künftigen Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Name "Böllberger Bier"soll dabei an die Brautradition der Stadt erinnern. Nicht weit von der künftigen Brauerei entfernt im Stadtteil Böllberg produzierte einst die Freyberg- und Engelhardt-Brauerei. Beide Betriebe wurden nach dem Zweiten Weltkrieg fusioniert und verstaatlicht. Unter wechselndem Namen gab es im Verbund des VEB Getränkekombinates Halle bis 1990 Bier unter dem Namen "Meisterbräu".
"Nach langer Planungsphase können wir jetzt im Stadtteil Böllberg wieder brauen, sagt Staude. Noch ist aber alles im Umbau. Die Gerätschaft, zwei Sudhäuser und acht Edelstahltanks stehen teilweise verpackt in den Räumen. Die komplette Ausstattung kommt von der Münchner Paulaner Brauerei. Zunächst sollen hier etwa 16 000 Liter Bier gebraut werden. "Ein altes Rezeptbuch der Freyberg-Brauerei ist die Grundlage für das Anknüpfen an die Tradition der halleschen Braukunst", sagt Brauer Armin Brandt. Und fügt hinzu: "Natürlich werden wir auch eigene Varianten kreieren."
Dabei gibt es das Bier, gebraut in einer Lohnbrauerei, schon seit längerem. Neben "Böllberger Pils"und "Böllberger Dunkel"sind auch kaltgehopftes "Böllberger Red Ale" in Ein-Liter Flaschen mit Bügelverschluss und 0,33-Liter Flaschen mit Kronkorken im Angebot. Für Feierlichkeiten kommt das Bier sogar in Fässern verschiedener Größen.
Wenn alles nach Plan läuft, soll das "Böllberger"bald in Supermärkten der Region stehen. Aber hat die Marke überhaupt eine Chance? Immerhin sinkt der Bierkonsum in Deutschland seit geraumer Zeit. "Seit rund sechs Jahren gibt es beim Verbraucher eine verstärkte Nachfrage nach regionalen und lokalen Produkten", sagt der Bundesgeschäftsführer des Verbands Privater Brauereien Deutschland (Limburg/Hessen), Roland Demleitner. "Deshalb besteht aus unserer Sicht für Brauereien, die speziell nach dem Geschmack einer Region brauen, beste Erfolgschancen."
Der Bezug zur Region ist auch für die Macher wichtig. "Bier hat einen regionalen Bezug und in Halle wurde seit Jahrhunderten gebraut", sagt Brauer Brandt. "Broyhan, ein süß-säuerliche Weißbier, galt um 1700 als beliebtester Trunk. Ebenso gab es die Sorte "Puff", ein hallesches Braunbier. Im 18. Jahrhundert wurde dieses Bier in Lokalen ausgeschenkt, in denen Prostituierte verkehrten. So ist aus einer Biersorte das Synonym für Bordell entstanden."Zudem galt die Freyberger Brauerei, von der heute nur noch eine Ruine übrig geblieben ist, einst als größte Privat-Brauerei Deutschlands.
"Bier hat in Halle wieder eine Heimat. Die Brauerei entsteht an einem historischen Ort", sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds, Holger Eichele. "Wir haben nach langer Zeit, auch mit Hilfe von "Böllberger Bier", wieder 1500 Braustätten in Deutschland."Zum Vergleich: 2013 waren es 1352 Brauereien.
"Der Plan ist, das Bier zunächst bei Verkostungen und Bierseminaren in unserem Café bekannter zu machen", sagt Brandt. "Auch der Tourismus könnte helfen. Wir liegen idyllisch am Saale-Radweg, nicht weit vom Saaleufer entfernt." Nach einer Anlaufphase will der Verein dann den Sprung in die Verkaufsmärkte wagen. "Die Menschen sind neugierig und probieren, weil es kein eigenes Bier in Halle gab."